nd-aktuell.de / 20.09.1996 / Politik / Seite 14

Der Duden und die »Neger«

Diskriminierende Töne im neuen Rechtschreiblexikon Von Günter Haverkamp

Der neue Rechtschreibduden wurde nicht nur durch die Rechtschreibreform geändert. Kurz vor Drucklegung ereignete sich eine leichte Gehirnerschütterung im altehrwürdigen Dudenhaus. Auf der buchbegleitenden CD-ROM fanden sich rassistische Untertöne.

Laut der ursprünglichen Version der gemeinsam von Duden und Microsoft herausgegebenen LexiROM sind Schwarze »Neger«. Entsprechend war die »Black Power« die »Bewegung nordamerikanischer Neger gegen Rassendiskriminierung«. Welch sinnvolle Beschreibung einer Protestbewegung, deren Ziel unter anderem die Abschaffung der kolonialistischen Bezeichnungen war. Bernadette Calasse, Mitglied der »Initiative Schwarze Deutsche«, protestierte beim Duden dagegen, daß an keiner Stelle der Hinweis zu finden war, daß das Wort »Neger« abwertend ist.

Nur widerwillig änderte der Duden die inkriminierten Passagen in dem jetzt vorliegenden Rechtschreiblexikon. Allerdings fielen die Korrekturen halbherzig aus. Hinter »Neger« steht jetzt die Umschreibung »auch verächtlich«. Das, so meint Bernadette Calasse, sei schlicht falsch. Dieses Wort werde immer in einer abwertenden Absicht verwendet. Es gebe nicht ein einziges Beispiel dafür, daß es in positiver, nicht herabsetzender Weise eingesetzt werde. Für Professor Siegfried Jäger, Gründer und Leiter des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung, fehlt den Machern des Duden denn auch »die sprachliche Sensibilität«.

Sein Kollege, der Dortmunder Literaturwissenschaftler Professor Jürgen Link, hält die Vorgehensweise des Duden für

unwissenschaftlich. Der Begriff Neger sei seit spätestens dem 19. Jahrhundert »fest verbunden mit der Vorstellung einer hierarchischen Stufenleiter von sogenannten Rassen«, wobei eine Farbskala eingesetzt werde: »Weiß ist oben, dann gibt es Abtönungen, es wird immer farbiger und schwarz ist unten.« Das habe mit dem Vulgärdarwinismus zu tun, der im 19. Jahrhundert stark verbreitet gewesen sei, betont Link.