nd-aktuell.de / 07.12.2004 / Brandenburg

Einsteins Büste im Keller versteckt

Turm auf dem Potsdamer Telegrafenberg vor 80 Jahren eingeweiht

Meike Kloiber
Gestern vor 80 Jahren, am 6. Dezember 1924, wurde der Einsteinturm, das bedeutendste Sonnenobservatorium im damaligen Europa, auf dem Potsdamer Telegrafenberg eingeweiht. Der Turm gehört zum Astrophysikalischen Institut, das morgen ein Festkolloquium zum Jubiläum des Bauwerkes veranstaltet. »Auf einem der Stühle hier hat er gesessen«, erzählt die ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiterin Marie-Luise Strohbusch, deren Schwiegervater Einstein noch persönlich kannte, im Hinterzimmer des Turms. Vor einem Abbild Einsteins im Eingang verharrt die Rentnerin: »Mitarbeiter mussten die Büste in der NS-Zeit im Keller verstecken; Einstein wurde von den Nazis geächtet, er war Jude.« Der Direktor des Astrophysikalischen Instituts sei »deutsch-national« gewesen. Schikane gehörte zum Alltag. Es ging so weit, dass Einstein das Hauptgebäude des Instituts nicht betreten durfte. Er musste außen herum gehen. Der Einsteinturm ist eine Kombination aus Rundungen und Ecken. Der Architekt Erich Mendelsohn (1887-1953) entwarf das expressionistische Bauwerk. »Mendelsohn wollte den Bau ganz und gar aus Beton machen- damals revolutionär«, erinnert Strohbusch. Aber nur der untere und der obere Kranz sind aus Beton. Der Rest ist Stein auf Stein gemauert. »Es gab keine Tischler, die in der Lage waren, den Baukörper so zu verschalen, dass er die Form annahm, die der Herr Mendelsohn sich gewünscht hat.« Das Innenleben des Einsteinturms ist funktional. In der Mitte steht ein 14 Meter hohes Holzgerüst: das Fernrohr. Die Kuppel des Turms kann bis zu zwei Meter weit geöffnet werden. Das Sonnenlicht fällt dann über Spiegel auf das Objektiv, wird gebündelt und strahlt durch das offene Holzgerüst ins Kellerlabor. Dort zerlegen Forscher das Sonnenlicht in einzelne Wellen und analysieren Sonnenflecken. Die Sonnenüberwachung gehört noch heute zum Routineprogramm. Wissenschaftler Horst Balthasar erklärt: »Wir messen das Magnetfeld der Sonne und untersuchen die physikalischen Prozesse der Sonnenaktivität und deren Auswirkung auf die Erdatmosphäre.« In dem Turm erproben die Astronomen neue Instrumente und Messtechniken. Studenten sammeln hier erste praktische Erfahrungen. Gebaut wurde der Turm, um die Allgemeine Relativitätstheorie zu beweisen. Entscheidendes Kriterium war die Rotverschiebungen der Spektrallinien auf Grund der Schwerkraft der Sonne, erläutert Balthasar. Einstein sagte eine solche Verschiebung in seiner Theorie voraus. Sonnenlicht wird durch ein Prisma in die bekannten Regenbogenfarben aufgeteilt. Das Spektrum reicht vom roten langwelligen Licht bis zum kurzwelligen Violetten. Rotverschiebung heißt demnach eine Verschiebung zu größeren Wellenlängen. Das Bauprojekt war umstritten. Aber Einsteins Mitarbeiter Erwin Finlay-Freundlich (1885-1964) wollte die Relativitätstheorie im praktischen Experiment beweisen. Er konzipierte die Forschungsanlage in dem Turm.