nd-aktuell.de / 17.10.2001 / Politik
Briefe mit »weißem Pulver« können teuer werden
Neben Verurteilung wegen Vortäuschung einer Straftat droht Auferlegung aller damit verbundenen Kosten
Claus Dümde
Wer Briefe verschickt, in denen sich dubioses Pulver befindet, und so die Angst vor Milzbranderregern missbraucht, um Panik zu schüren, macht sich strafbar: wegen Vortäuschen einer Straftat.
Als »Trittbrettfahrer« werden hier zu Lande die Absender solcher Briefe bezeichnet. Das klingt eher harmlos, nach Wichtigtuerei. Doch angesichts handfester Indizien dafür, dass in den USA Menschen auf diese Art mit der lebensbedrohlichen Krankheit infiziert wurden, darf kein solcher Brief auf die leichte Schulter genommen werden. Deshalb rückt seit Tagen in all diesen Fällen die Feuerwehr mit Spezialfahrzeugen und -gerät und in Schutzanzügen aus, stellt nicht nur die verdächtige Sendung sicher und lässt ihren Inhalt in Speziallabors untersuchen, sondern evakuiert zuweilen ganze Gebäude, stellt sie und sogar die darin befindlichen Personen unter »Quarantäne«. Am Montag wurden die Poststelle des Kanzleramtes geschlossen, Antibiotika die Beschäftigten im Liebknecht-Haus in Leipzig verabreicht und in Nordrhein-Westfalen drei Post-Lkw mit mehreren 100000 Briefen zurückbeordert.
Selbst wenn schon der erste Anschein gegen einen Anschlag spricht, wagt niemand ohne Gewissheit davon auszugehen. Deshalb ist viel von diesem Aufwand unumgänglich. Man kann daher weder von makabren Scherzen noch von »grobem Unfug« ausgehen, sondern muss das Strafgesetzbuch heranziehen. Da kommt in erster Linie §126 in Betracht. Er sieht vor, dass nicht nur die »Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten«, darunter Mord und Vergiftung, mit bis zu drei Jahren Haft oder Geldstrafe beahndet wird, sondern auch, wer »wider besseres Wissen vortäuscht«, die Verwirklichung einer darin »genannten rechtswidrigen Tat stehe bevor«.
Das Vortäuschen einer Straftat ist auch durch §145d mit demselben Strafmaß bedroht. Um diesen Tatbestand zu erfüllen, bedarf es derzeit wohl nicht mal konkreter Drohungen oder auch nur Hinweise auf einen »heiligen Krieg«. Dass weißes Pulver aus einem Umschlag rieselt, dürfte angesichts weit verbreiter Angst vor bakteriologischen oder chemischen Terroranschlägen für Staatsanwälte und Richter ausreichend sein. Zumindest ist eine Verurteilung nach §145 möglich: »Wer absichtlich oder wissentlich... vortäuscht, dass... wegen gemeiner Gefahr oder Not die Hilfe anderer erforderlich sei«, wird mit bis zu einem Jahr Haft oder Geldstrafe bestraft. Hinzu kommt in jedem Falle Schadenersatz für die Kosten der jeweiligen Polizei- und Feuerwehreinsätze, Laboranalysen, medizinischen Untersuchungen, Medikamente. Das kann sich schnell auf einige 10000 Mark addieren.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/6591.briefe-mit-weissem-pulver-koennen-teuer-werden.html