nd-aktuell.de / 23.06.1997 / Politik / Seite 5

Jesus, Lenin und das Ewige Leben

Eigenwilliges Plakat sorgt für theologische Diskussion

Lenin im vertrauten Beisammensein mit armen Bauern - das Originalgemälde »Bauern besuchen Lenin« (es entstand in den 20er Jahren und wird dem Sozialistischen Realismus zugerechnet) ist durch den Hamburger Maler Ernst Kahl 1992 verfremdet worden. Nun stellt es Jesus im Gespräch mit Lenin dar, und der Titel lautet. »Jesus zeigt Lenin seine Wundmale«. Die Leipziger PDS hat daraus (ND berichtete) ein Plakat gestaltet, dessen Überschrift »Wir grüßen den 27. Deutschen Evangelischen Kirchentag Leipzig 1997« heißt. Während manche ängstliche Gemüter in der PDS noch fürchteten, das Kunstwerk könne als religionsfeindlich verstanden werden, entbrannte unter den Christen eine muntere theologische Debatte über den sozialistischen Willkommensgruß.

Den geistigen Höhepunkt, einen Beitrag von Dr. Rudolf Faller im Internet-Diskussionsforum der CDU zum Thema Kirchentag (http://www.cdu.deA>pt/forum/thema3/ovr/aaaa004pa. ovr) dokumentieren wir im folgenden ungekürzt. »Das PDS-Bild, auf dem Jesus dem Herrn Lenin seine Wundmale zeigt, ist so au-ßergwöhnlich nicht. Jahrhundertelang war es in der Kirche üblich, Verstorbene bildlich mit Christus, Maria oder im Himmel darzustellen, gleichsam als Symbol ewigen Lebens.

So finden Sie Bilder von Heiligen (Antonius von Padua, Franziskus, Christopherus etc.) und nicht so heiligen Leuten (Könige, Fürsten) in heiligster Umgebung dargestellt. Daß die PDS dieses Motto wählt, ist sicher wohl durchdacht und sicher nicht als Beleidigung der vielen Gäste gemeint, die von überall her nach Leipzig kommen. Es ist ein klares Symbol der Vorstellung, daß jeder, auch ein Lenin, ewiges Leben von Christus hat.

Daß die PDS diese Dimension, in der uns allen letzte Sicherheiten in diesem Leben verschleiert bleiben, mutig aufgreift, finde ich gut. Es wäre natürlich jetzt interessant zu wissen, was Jesus zu Lenin sagt, als er ihm seine Wundmale zeigt. Vielleicht sagt er- »Schau, mein lieber Lenin, die sind von Dir und Deinen Leninisten zugefügt, und die da sind von braven Christenmenschen, die mich verraten haben, und die von Kapitalisten, aber all das spielt jetzt keine Rolle mehr, ich bin für euch alle gestorben, und deshalb freue ich mich, daß du jetzt bei mir bist. Herzlich willkommen!«

Ein etwas irritierter Leser fragte daraufhin: »Seit wann glaubt die PDS an Ewiges Leben in Christo?« Darauf erwiderte Bernd Hoffmann: »Warum soll es in der PDS keine Leute geben, die ans ewige Leben glauben? In der CDU gibt es ja sicher auch jede Menge Atheisten!« Was die PDS selber dazu sage, wollte einer wissen - hier die Antwort des Stadtvorsitzenden Dietmar Pellmann: »Kunst ist bekanntlich verschieden interpretierbar und führt zur Diskussion, an der wir interessiert sind.«