Auch in dieser Woche bleiben die Tore der Elbewerft Boizenburg in Mecklenburg-Vorpommern, Kreis Ludwigslust, verschlossen.
Die rund 300 Schiffbauer hatten sich am Montag morgen per Abstimmung mehrheitlich dafür ausgesprochen, die letzten Dienstag gestartete Betriebsbesetzung fortzusetzen, weil die von der Landesregierung angebotene Auffanglösung nicht annehmbar sei. Eine Bürgschaft von einer Million hatte das Wirtschaftsministerium in der letzten Woche in Aussicht gestellt, zwei Millionen müßten aus der Betriebsmasse aufgebracht werden, um die Existenz des Unternehmens bis Ende des Jahres zu sichern.
Die Stimmung in Boizenburg wird immer gereizter. Gestern mittag hatte Zwangsverwalter Hildebrandt, der nach Betriebsratsangaben nicht mehr gesprächsbereit ist, von der Belegschaft bis 14 Uhr eine Entscheidung gefordert, ob am Dienstagfrüh die Montagearbeiten an
dem Boizenburger Schiff wiederaufgenommen werden, das in Bremerhaven auf seine Fertigstellung wartet. Ginge es dort nicht weiter, entstünde ein Schaden von zwei Millionen Mark; dann müßte er seine Zusage zur anteiligen Finanzierung einer Beschäftigungsgesellschaft zurückziehen, kündigte Hildebrandt an. Außerdem behalte er sich für diesen Fall Schadenersatzforderungen an den Betriebsrat vor.
Den Vorwurf des Sequesters, daß es sich bei der Betriebsbesetzung um einen »wilden Streik« handele, bezeichnete Betriebsratsmitglied Heino Kühl als absurd. Vielmehr sei die Besetzung das letzte legitime Mittel, die Arbeitslosigkeit der Beschäftigten zum 1. September noch ab-
zuwenden. Die Werftarbeiter wollen sich durch das Ultimatum nicht erpressen lassen. Eine Auffanggesellschaft bis Ende des Jahres reiche nicht aus, um die Arbeitsplätze dauerhaft zu sichern, ist nach wie vor ihre Position. »Darüber hinaus trägt das Arbeitsamt eine Förderung über vier Monate nicht mit, sie muß mindestens ßinen Monat über der gesetzlichen Kündigungsfrist liegen«, sagte Betriebsrätin Grete Bogdahn. Weil die meisten Schiffbauer schon sehr lange auf der Werft beschäftigt seien, betrage diese Frist sieben Monate. Auch das Ansinnen von Wirtschaftsminister Jürgen Seidel (CDU), dann müßten die Tarifparteien die_ Kündigungsfristen eben senken, könne nicht mitgetragen werden. Nach Kühls Angaben laufen gegenwärtig auch Verhandlungen mit der Bundesanstalt für Arbeit, um im Rahmen des europäischen Sozialfonds eine Sonderregelung zu erreichen. Eine Entscheidung darüber wird am Mittwoch erwartet.
Der wirtschaftspolitische Sprecher der PDS-Landtagsfraktion, Helmut Holter, forderte Minister Seidel auf, den »faulen - Kompromiß« bei Boizenburg zurückzunehmen, er sei rechtlich falsch und beraube die Schiffbauer ihrer tariflichen Rechte. Die PDS-Abgeordnete Angelika Gramkow kündigte an, daß sich der Landtag auf seiner kommenden Sitzung mit dem Antrag ihrer Fraktion beschäftigen wird, der die Bereitstellung von finanziellen Mitteln über den 31. Dezember 1997 hinaus bis zur zweiten Privatisierung sicherstellen soll. Auch der SPD-Abgeordnete Till Backhaus warf dem Landeswirtschaftsminister ein »falsches Spiel« vor.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/673685.schiffbauer-kaempfen-weiter.html