nd-aktuell.de / 10.09.1997 / Politik / Seite 6

“– D-Mark-Retter und andere Kameraden

Vier Rechtsaußen-Gruppierungen wollen Hamburg aufmischen Volker Stahl, Hamburg

Mit den Republikanern, der Deutschen Volksunion (DVU), der Nationaldemokratischen Partei (NPD) und dem Bund Freier Bürger (BFB) treten unter 24 Bewerbern vier rechtsextreme bzw. rechtskonservative Gruppen zur Bürgerschaftswahl am 21. September in Hamburg an.

Hamburg im Juli: Protest gegen rechts Foto:dpa

Wenn man Umfrageergebnissen Glauben schenken darf, haben die Rechtsausleger keine Chancen, in die Bürgerschaft einzuziehen. Hinter den drei großen Parteien (SPD, CDU, Grüne) sehen die Demoskopen eine große Lücke klaffen und prognostizieren sogar der FDP und der Statt-Partei mit vier und drei Prozent ein Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde. Daß diese Rechnung trügerisch sein kann, hat die letzte Bürgerschaftswahl gezeigt. Am 19 September 1993 konnten entgegen allen Voraussagen allein die DVU und »Die Republikaner« mehr als 70 000 Stimmen auf ihren Konten buchen. Die DVU-Truppe des Dr. Gerhard Frey erhielt 2,8 Prozent der Wählerstimmen, die Reps verpaßten damals mit 4,8 Prozent den Einzug in das Hamburger Landesparlament knapp.

Während die Reps ihre Wahlpropaganda bisher auf das Aufbauen von Infotischen und Plakatwerbung beschränkten, setzt die DVU in erster Linie auf aufwendige Kampagnen mit Postwurfsendungen. In drei Intervallen landete das Material bis Ende August in den Briefkästen. Auf neutral gehaltenen Briefumschlägen verschickte ein nicht näher bezeichnetes Wahlbüro Hamburg »wichtige Unterlagen zur Wahl zur Bürgerschaft« an alle Haushalte. Beim Öffnen des als Behördenschreiben getarnten Briefes schwappten den »Bürgerinnen und Bürgern der Freien und Hansestadt Hamburg« zwei DVU-Aufkleber (»Rettet die D-Mark«, »Deutschland soll deutsch bleiben«), eine Gutschein-Karte für Probeexemplare der National-Zeitung und der Deutschen Wochen-Zeitung sowie ein Faltblatt entgegen. Darin schwadroniert DVU-Spitzenkandidat Heinrich Gerlach über das Thema »Muß wirklich ein 'kleiner Adolf her?« Die populistische Antwort folgt auf dem Fuße: Um »das wieder so hinzukriegen, wie es in den 50er, 60er und 70er Jahren war«, brauche man keinen Diktator und keinen Kaiser, sondern für Besserung sorge die DVU.

Nach der Wahl, so verspricht die DVU, wolle sie als Fraktion folgende Forde-

rungen in die Bürgschaft einbringen: »Scheinasylanten, kriminelle Ausländer, ausländische Schwarzarbeiter stoppen und schnell abschieben!«, »Schluß mit der weichen Welle gegen Kriminelle!« und »Politiker, die sich rechtswidrig an ; Steuergeld bereichern, gehören bestraft wie Bankräuber!« Anläßlich der erneuten Wahlwerbung der DVU sah sich Landeswahlleiter Prill zu einer Klarstellung gezwungen: »1. Die Postwurfsendung stammt nicht vom Landeswahlamt. 2. Die Wahlbenachrichtigungen des Landeswahlamtes werden für deutsche Wähler in weißer Farbe und für EU-Bürger in gelber Farbe verschickt. 3. Es ist nicht Aufgabe des Landeswahlleiters, die Wahlwerbung der Parteien zu kommentieren. Gleichwohl möge sich jeder seine eigene Meinung zu Parteien bilden, die nicht den Mut haben, sich offen zu ihrer Wahlwerbung zu bekennen.«

Die im ebenfalls auf die Wählerklientel am rechten Rand schielende Konkurrenz

vom »Bund Freier Bürger« (»mutig«, »ehrlich«, »anders«) präsentiert sich in ihrem Nobelbüro An der Börsenbrücke 2 und in ganzseitigen Zeitungsanzeigen weniger platt. Die nationalen Töne der »D-Mark-Partei« sind geschickt hinter der populären Hauptforderung (»Hamburg wählt den Euro ab«) versteckt. So heißt es in dem Zehn-Punkte-Programm der energischen Verfechter der Deutschen Mark: »Wir wollen keine multikulturelle Gesellschaft.« Einige Zeilen weiter wird dann gegen »die linke Gesinnungspolizei« gewettert und auf die Stärke der »selbstbewußten Nation« verwiesen: »Wir Deutschen haben Großes geleistet und wollen auch in Zukunft Großes zusammen bewirken.«

Knapp 300 Personen demonstrierten Ende Juli vor der BFB-Dependance gegen die nationalistischen Töne der Brunner-Partei. Der ehemalige bayerische Landesvorsitzende der Freien Demokraten und amtierende BFB-Chef auf Bundesebene, Manfred Brunner, hatte im Vorfeld der Wahlen zum Europa-Parlament Unterstützung von Jörg Haiders Freiheitlicher Partei Österreichs bekommen.

Die NPD scheint alle Kräfte in Richtung 13. September zu bündeln. Für diesen Tag rufen die Nationaldemokraten ihre Gefolgsleute zu einem Großaufmarsch in die Elbmetropole. Gegen die Aktivitäten der NPD und der anderen Rechtsparteien macht zur Zeit das Hamburger »Aktionsbündnis gegen Faschismus und Rassismus« mobil. »Wir wehren uns gegen die schon jetzt in Hamburg mit enormen finanziellen Aufwand betriebene völkerverhetzende und rassistische Propaganda faschistischer und rechter Parteien und Gruppierungen«, sagte Initiativen-Sprecher Andreas Grünwald. Hinter der scheinbar harmlosen Oberfläche der Anti-Euro-Partei, des Bundes freier Bürger, stehe mit Brunner der »Führer« der deutschen- Freiheitlichen, der die angebliche »Unterdrückung« der Deutschen durch Ausländer mit der Vernichtung der Juden, Roma und Sinti im Dritten Reich gleichsetze.

Die Hamburger Juso-Strömung »Linksruck«, die sich die Aufklärung über die Rechten auf die Fahnen geschrieben hat, ist derweil ins Visier ihrer politischen Gegner geraten. »Gegen linke Gewalt hilft nur rechte Mobilisierung«, verkündete das Hamburger »Nationale Infotelefon«. Seit der Aufforderung zum rechten Aktivismus werden neben Beschimpfungen Parolen wie »Deutschland den Deutschen« auf den Anrufbeantworter der Jusofraktion gesprochen. Und hin und wieder klingt dem SPD-Nachwuchs das Deutschlandlied in den Ohren.