Eine der schwierigsten Aufgaben für den Criminalisten in psychologischer Beziehung bleibt die Beurtheilung der Frau, weil sie nicht nur somatisch und psychisch etwas ganz Anderes ist als der Mann, sondern weil sich dieser niemals voll und ganz in das Wesen einer Frau hineindenken kann.« Der dies 1898 in seiner »Criminalpsychologie« schrieb, war kein Geringerer als der Begründer der modernen Kriminalistik Hans Groß. Sein Thema: die Kriminalität der Frau.
Hundert Jahre später teilen sich zwei Männer, denen dieses schwierige »Hineindenken« erstaunlich gut gelungen ist, schreibend über einen ähnlichen Gegenstand mit, und entstanden ist ein spannendes Buch über Mörderinnen auf der Bühne der Geschichte und in den Szenarien von Literatur und Kunst. Wie an den hier skizzierten Fällen abzulesen ist, sind die Spektralfarben, Erscheinungsweisen und Maskierungen von Weiblichkeit und Frausein sehr viel schillernder, abwechslungsreicher und leuchtender, als herrschende Rollenklischees glauben machen wollen. Aktive Aggressionen und perverse Brutalität, todbringende Skrupellosigkeiten und absolute, visionäre Grausamkeit sind ebenso weiblich wie Zärtlichkeit oder Mütterlichkeit. Frauen
stehen nicht jenseits der Gewalt. Und es ist eine Illusion anzunehmen, Aggressions- und Konfrontationswillen seien bloße Errungenschaften einer patriarchalischen Sozialordnung und als »männliche« Wahnvorstellungen auslöschbar.
Das Buch beginnt mit dem Nietzsche-Zitat, nach dem Frauen im Zustande des Hasses gefährlicher sind als Männer, und endet mit Worten der Kriminalautorin Ingrid Noll, die durch ihre Romane auf ganz alltägliche Mordgelüste aufmerksam machen will, die jeden von uns beschleichen. Dazwischen Frauen mit ihren tödlichen Schattenseiten: die Gesche Gottfried, Elfriede Blauensteiner und Judith, die Holofernes enthauptete, Charlotte Corday und Salome, die Gräfin Bäthory ... Immer wieder Femmes fatales, Frauen, die tödlich sind für den Mann. Und immer wieder wird gefragt nach dem Warum, nach den Motiven für die Missetaten.
Daß zarte Frauenhände, die in Parfümerien so geschickt und kunstvoll teure Duftflakons in hübsches Geschenkpapier einpacken, zu extremen Gewalttaten imstande sind, verwirrt (laut Vorwort) in besonderem Maße. Nach der Lektüre dieses Buches ist man gegen solche Irritationen gefeit.
Eindrucksvolle Porträts von Frauen, die den Nobelpreis erhielten, verfaßte Charlotte Kerner: »Madame Curie und ih^e Schwestern« (Beltz, 464 S., 38 DM).
Über Kultur, Lebensweise, Geschichte der Ureinwohner Amerikas informiert das in seiner Art einmalige, reich illustrierte »Indianer-Lexikon« von Ulrich van der Heyden (Lamuv, 399 S., 58 DM).
Eine Biographie des ungewöhnlichen Herrschers Rudolf II. von Habsburg schrieb Jaqueline Dauxois: »Der Alchimist von Prag« (Artemis & Winkler, 335 S., 49,80 DM).
Wie die mechanische Uhr das Leben veränderte, verrät in einem brillanten Essay Carlo M. Cipolla: »Gezählte Zeit« (Wagenbach, 124 S., 36 DM)
Das Leben Pauls III. zwischen Legende und Zensur enthüllt amüsant und unterhaltsam Roberto Zapperi: »Die vier Frauen des Papstes« (CH. Beck, 171
S., 38 DM).
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/691887.zarte-frauenhaende.html