nd-aktuell.de / 22.03.2005 / Brandenburg

Rechtes Gedröhn »aus Langeweile«

Gericht verurteilte Sammler von Nazimusik zu Bewährungsstrafen

Uta Falck
Heike S. hat kommt aus dem sächsischen Burgstädt. Nach dem Abschluss der neunten Klasse hat sie den Beruf einer Melkerin erlernt. Weil es aber in Berlin keine Kühe gibt, ist die 35-Jährige seit acht Jahren arbeitslos. Die schmale Frau mit der lange nicht geschnittenen Mähne wohnt bei ihrem Freund, dem mehrfach vorbestraften Stephan Konstantin G. Die Schulfreunde des kahlrasierten Hänflings verkehrten in der Köpenicker Skinhead-Szene. Zusammen soff man und hörte Lieder, deren Texte Gewalt verherrlichen und deswegen auf dem Index stehen. Heike S. fand Gefallen an dieser Musik. Im Internet besorgte sie sich die Titel. Sie schuf einen eigenen Chatroom, gestaltete ihn mit einer Reichsadlerflagge. Dort bot sie auch Musik zum Herunterladen an. Am 13. August 2002 befanden sich 531 CD´s von Gruppen wie Landser, Arisches Blut oder Zillertaler Türkenjäger in ihrem Besitz. An diesem Tag wurde ihre Wohnung durchsucht, gemeinsam mit ihrem Freund musste sie sich gestern vor Gericht verantworten. Richter und Staatsanwalt sind irritiert. So viele verbotene CD´s findet die Justiz sonst nur bei Händlern. Aber Heike hat sie »nur für uns privat« herunter geladen. Sie hätte die CD´s aus Langeweile gesammelt. Heute findet sie die Texte mit den vielen Tötungsaufforderungen grausam. Aber damals habe sie sich zu dieser Musik hingezogen gefühlt. »Ich hatte damals den falschen Umgang.« Nach der Durchsuchung ihrer Wohnung habe sich vieles verändert. Die beiden sind von Köpenick nach Treptow gezogen. Ihre Haare hätte sie sich wieder wachsen lassen und den Kontakt zu den alten Saufkumpanen abgebrochen. Heike S. wird mit sechs Monaten Haft, ausgesetzt zu einer dreijährigen Bewährung, und 180 Stunden gemeinnütziger Arbeit bestraft, ihr Freund Stephan G., der ihr Treiben billigte und mit seinem Computer unterstützte, bekam vier Monate zur dreijährigen Bewährung und eine Geldstrafe von 600 Euro. »Geld hast du nicht und Arbeit keine/du hast dein ganzes Leben Langeweile.« Diese Zeile von Heikes CD´s muss ihr aus der Seele gesprochen haben. Doch mit diesem Titel »Wir hassen dich« will die Gruppe Reichssturm nicht die Situation ihrer Anhänger beschreiben, sondern bläst zur Jagd auf »Punks mit bunter Iro-Mähne«. Hass und Selbstmitleid liegen eben dicht beieinander.