nd-aktuell.de / 27.02.1998 / Politik / Seite 12

Wombats streicheln

Jochen Borst

Die Haare fast so wild wie auf den Buchumschlägen, trotz Erkältung ein verschmitztes Lächeln um die Augen, so erscheint Ralph Giordano zur Lesung in einem Kölner Buchladen. Man sieht ihm nicht an, daß er lange Zeit einer der bestgehaßten »Nestbeschmutzer« der westdeutschen Republik war, der seinen

Frieden mit den Wir-haben-davonnichts-gewußt-Typen in diesem Lande nicht machen wollte. Auch wer ihm nahesteht, hat wohl kaum geglaubt, daß er einmal seinen langgehegten Wunsch wahr werden ließe, ein durch und durch lustiges Buch zu schreiben. Naja, durch und durch?! So ganz ist ihm das nun auch wieder nicht gelungen. Aber seinem Anspruch, »das Leben wäre nicht lebenswert, wenn man es nicht mit Humor nehmen könnte«, ist er gefolgt.

»Der Wombat« lautet der Titel des Werkes. Wombats sind dick, kuschelig und faul. Vielleicht liebt der Autor sie deswegen besonders und will alles daran setzen, wenigstens einmal im Leben einen von ihnen auf dem Arm zu halten und ZU streicheln. Ein bißchen beneidet er Steffi Graf, die hatte nämlich im Berliner Zoo das Vergnügen. Wombats leben in Australien und sind nachtaktiv Aus dem nachtaktiven Wombat einen - wenigstens für Momente - tagaktiven Erdenbewohner zu machen, das ist eine der schönsten Geschichten des Buches. Giordano erzählt vom ganz normalen Wahnsinn, Tiere zu lieben. Da sind ihm wunderbare Menschengeschichten gelungen. Er berichtet von der Oma, der der Papagei einziger Lebenszweck ist, von der Familie,

die ihr Leben für einen Spitz riskiert. Doch Giordano wäre nicht Giordano, hätte er etwas so ganz ohne doppelten Boden und Hintergedanken verfaßt. Die Liebe, von der er schreibt und deren Buchstabenfolge er wie wenige nur auf der Zunge zergehen läßt, diese Liebe lebt oft in einem Umfeld, das die Liebe verlacht und den Haß zum edlen Gefühl erklärt. Humor ist, wenn man trotzdem lacht, diese alte Volksweisheit füllt der Politautor in »Wombat« mit neuem Leben. Und damit er das auch weiterhin tun kann, sei ihm ein langes Wirken ohne die Versuchung eines Labradors gewünscht.