Bluesmusikern wird oft unterstellt, sie wollten Botschaften senden. Hansi Biebl möchte lieber welche empfangen. »Wenn ich eine hätte, dann die: Leute, seid ein bißchen bescheidener. Meckert nicht soviel und erfreut euch nicht nur an der duftenden Rose, sondern auch an dem kleinen Gänseblümchen«, sagt er lächelnd. Die Shows im Alltag und die auf der Bühne sind ihm nicht so wichtig. Dort steht er einfach, die Augen geschlossen, singt und spielt sein Innerstes nach außen. Gefühl wird zu Musik und Musik zu Gefühl. Und man kann es immer wieder beobachten: In sich versunken wippen die Fans mit im hämmernden Rhythmus zu dieser Mischung aus erdigem Blues und melancholischem Rock, gewürzt mit etwas Jazz, Soul und manchmal Klassik. Biebl ist ein Ästhet, der mit
Liebe zum Detail, mit rhythmisch verschobenen Breaks, harmonischen Wendungen und zweistimmigen Melodien zur Perfektion strebt, die seine Band konzentriert nachvollzieht. Zwei Gitarren, ein Baß, ein Schlagzeug - das reicht.
Das von Hansi Biebl mit seiner Bluesgitarre zum Schwingen gebrachte Lebensgefühl hat verschiedene Trends und Tendenzen unbeschadet überstanden. Angefangen hat der inzwischen Grauhaarige 1965 bei den Atlantics. Fürs Nachspielen von Beatles und Rolling Stones-Songs kassierten sie zweimal Berufsverbot. Er spielte bei Modern Soul und gründete 1975 seine legendäre Johannes Biebl Blues Band. Doch die löste sich zu schnell auf, und Biebl versuchte es bei Veronika Fischer und 4 PS. Vier Jahre lang, bis zu seiner Ausreise 1984 aus der DDR, bestand seine Hansi Biebl Band. Musiker lernte er genug kennen im Westen, doch um »fußzufassen, war es zu spät«. 1991 kehrte er nach Berlin
zurück. Erst da konnte er wieder an eine eigene Band denken. »Wir sind jetzt vier Jahre zusammen und so eingespielt, daß wir uns sofort verstehen. Das ist wichtig, um sofort Grundidee, Gefühl und Gestus in Musik umsetzen zu können. Ja, es hat einfach lange gedauert«, beantwortet Biebl die Frage, warum die Fans 15 Jahre lang auf neue Songs warten mußten. Zu hören sind sie auf dem bei Buschfunk erhältlichen Album »Unter den Wolken«. Die Texte stammen von Werner Karma, dem ehemaligen Silly-Dichter Es sind sehr persönliche Geschichten, die der zurückgezogene Karma niederschrieb. »Ich hatte ihn nach der Wende schon mal 1992 besucht - und bin erschüttert wieder raus gegangen. Er wollte seine DDR wiederhaben, die hat ihn leben lassen. Doch die DDR zum Leben zu brauchen, ist das nicht armselig?«, meint Biebl. Karma hat sich etwas aus dem Sumpf rausgezogen, und Hansi ist glücklich, »daß seine Geschichten stimmig mit meiner Musik« sind. Aber sind sie nicht zu depressiv und traurig? Biebl wehrt ab: »Traurigkeit in der Musik ist das schönste, was es gibt. Gut, es gibt eine Art Freude in der Musik. Aber die muß etwas Melancholisches haben. Freude empfinden schließt ein, an die zu denken, die
sich nicht freuen können. Wenn die Leute sagen, sie wollen keine traurigen Texte, gehe ich zu Löriot. Aber - der ist ja auch verhalten und traurig. So richtig lustig -Roberto Blanco vielleicht?«
Der 52jährige Hansi Biebl arbeitet mit Musikern vom Baujahr 65 zusammen. Sie verstehen sich »unheimlich gut«. In seiner Bremer Zeit fand Hansi Biebl Spaß am Chorgesang. Mittlerweile sechs Jahre singt er als Tenor im Berliner Oratorienchor Klassiker wie Brahms, Beethoven, Bach und Mendelssohn-Bartholdy Verdi hat ihn drauf gebracht, »daß ich ein so romantischer Mensch bin«. Deshalb wohl hat er in Wilhelmsruh einen eigenen Chor gegründet, wo Studenten und Rentner, die 30 Jahre nicht gesungen haben, erleben können, wie schön klassische Musik ist. Das Chorsingen hat Biebl trainiert, Harmonien schneller umzusetzen und das Melodiegefühl besser zu entwickeln. »Aus den tausend Irrwegen, die man beim Songschreiben beschreitet, finde ich dadurch sofort den richtigen Weg heraus.«
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/711023.standhaft-unter-wolken.html