Die regelmäßigen Casinoabende mit wichtigen Leuten der Geschäftswelt sind dem quirligen Lasar lästig, ebenso wie andere Freizeitvergnügen der Moskauer Oberschicht. Jeden Sonntagnachmittag
versammelt sich die Moskauer Schickeria beispielsweise an einer Waldlichtung, dem sogenannten Silberbusch. Gegen 15 Uhr füllt sich das lauschige Plätzchen von der einzigen Zufahrtsstraße her mit Porsches, Mercedes' und Cadillacs. Den edlen Wagen entsteigt die neueste Pariser Mode, angepaßt an goldberingte Damen und Herren. Und nach ihnen - an der Kette gehaltene, zähnefletschende Pitbullterrier, Schäferhunde und Boxer
Sobald der Kampfring auf dem Waldboden aufgebaut ist, lassen sie ihre Hunde aufeinander los - weil es verboten ist und sie es sich dennoch unbehelligt erlauben dürfen. Dollarnoten wechseln den Besitzer - ohne Wetten macht die blutige Show keinen Spaß.
»Ich habe sowieso nichts anderes zu tun, und außerdem ist es interessant«, erklärt ein weißbefrackter junger Mann und läßt ein halbes Dutzend bestverarbeiteter Goldzähne blitzen. »Das Geld brauche ich nicht, ich setze es einfach so, um zu spielen.«
50 Dollar pro Trainingsstunde kostet es, seinen Hund vom besten Kampftrainer Moskaus abrichten zu lassen. Wolodja Godunow hält die ihm anvertrauten Tiere im Zwinger bei gutem Futter und täglichem Drill. Wenn sie gute Kämpfer werden sollen, müssen sie aggressiv und blutrünstig sein. Dafür wird schon mal ein hergelaufener Straßenköter geopfert: Wolodja zeigt, wie es gemacht wird. Er hält den Hund wie einen Köder an der Leine und läßt ihn von einem Podest her-
abhängen. Der künftige Kampfhund muß das Opfertier von unten an den Beinen reißen, wieder und wieder, bis sie gebrochen sind. Das trainiert seinen Angriffswillen. Das zerschundene Opfertier ist danach nicht mehr zu retten. »Wir müssen den Hund töten, sonst röchelt er noch den ganzen Tag«, erklärt Wolodja ohne Mitleid. »Bei diesen Hundekämpfen geht es um viel Geld«, erzählt der erfahrene Trainer »Einsätze bis zu 10 000 Dollar. Diese Leute machen das für ihr Prestige. Nach dem Motto: »Ich habe einen BMW, einen Mercedes - jetzt will ich einen teuren Hund.«
Nur ein brutaler Kampf bietet dem verwöhnten Publikum am Silberbusch das gewünschte Erlebnis. Bis zu einer Stunde kann es dauern, dann gibt sich der schwächere Hund geschlagen. Stirbt er nicht im Ring, muß er, blutüberströmt und festgezurrt an der Stoßstange eines Wagens, in der prallen Sonne warten, bis die folgenden Kämpfe zu Ende sind.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/714759.sonntags-hundekampf-am-silberbusch.html