nd-aktuell.de / 10.09.1998 / Politik / Seite 16

Verfahren zieht sich endlos hin

Vertagung nach 90 Minuten Von Jürgen Holz

Im Doping-Pilotprozeß vor dem Berliner Landgericht gegen die vier verbliebenen Angeklagten des früheren SC Dynamo Berlin ist auch nach exakt 25 Wochen noch kein Ende abzusehen. Am gestrigen 29. Verhandlungstag wurde als Zeuge Veit Hermans gehört, der von 1977 bis 1984 als Schwimm-Sektionsleiter und danach als Stellvertreter und Verantwortlicher für Sport beim SC Dynamo tätig war Der 52jährige, der seit der Wende bei einer Versicherungsgesellschaft arbeitet, konnte dem Gericht keine Informationen über die Verabreichung von Dopingmitteln liefern, da er darüber nichts wisse. Auch sei bei den Cheftrainer-Rapports darüber nicht gesprochen worden.

Nach Informationen des Rechtsanwaltes Dr. Frank Osterloh, Verteidiger des angeklagten Trainers Dieter Lindemann,

enthält das jetzt schriftlich vorliegende gynäkologische Gutachten der Schwimmerin Jessica Reim keinerlei Hinweise auf körperliche Schädigungen, die im Zusammenhang mit einer möglichen Vergabe durch männliche Hormone stehen könnten. Die vier Angeklagten - drei Trainer und ein Sportmediziner - werden in diesem Prozeß der Körperverletzung durch Vergabe von anabolen Steroiden angeklagt.

Nach knapp 90 Minuten wurde die Verhandlung auf nächsten Montag vertagt. Der Verteidiger des Trainers Volker Frischke, Rechtsanwalt Thomas Betzelt, wies den Vorsitzenden Richter Hansgeorg Bräutigam daraufhin, daß angesichts wiederholter Fälle von unvertretbarer Kürze der Verhandlungen in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen müsse, der Prozeß werde endlos verschleppt.

Tatsächlich zeichnet sich ein Mammutprozeß ab, dessen Kosten dem Vernehmen nach bereits rund 500 000 Mark betragen sollen. »Die Kammer will ihre Möglichkeiten ausschöpfen. Es geht um die individuelle Verantwortlichkeit der Prozeßbeteiligten«, entgegnete Richter Bräutigam und verkündete sodann die weiteren, bis Mitte November reichenden Verhandlungstermine. Am kommenden Montag ist die Vernehmung eines Apothekers vorgesehen, der Hormonpräparate ausgehändigt haben soll.