nd-aktuell.de / 25.06.2005 / Brandenburg
Boom und Pleitegeier bei Ich-AGs
Allein im Januar 2022 dieser Mini-Firmen gegründet / Seit 2003 warfen 14 Prozent das Handtuch
Klaus-Dieter Eule
Zu einem nicht unerheblichen Teil weil sie niemand einstellt, machen sich in Brandenburg immer mehr Menschen selbständig. Hartz IV löste noch einmal einen Boom bei der Gründung von Ich-AGs aus. Um dem Arbeitslosengeld II zu entfliehen, gründeten viele Betroffene schnell noch ihre eigene kleine Firma.
Arbeitsministerin Dagmar Ziegler (SPD) bezifferte die von Anfang 2003 bis Ende Januar 2005 in Brandenburg gegründeten Ich-AGs auf insgesamt 18 703. Allein im letzten Jahr waren es über 11 000. Im Januar 2005 gab es noch einmal 2022 neue Ich-AGs.
Die Inhaber der Mini-Betriebe erhalten über die Bundesagentur für Arbeit drei Jahre lang staatliche Zuschüsse. Danach muss das Unternehmen dann rentabel laufen oder aber bei fehlenden Einnahmen Insolvenz anmelden. Spitzenreiter bei den Ich-AGs ist der Landkreis Barnim. Hier wurden bereits 1984 solcher Ein-Personen-Firmen angemeldet. Allein im vergangenen Jahr kamen 1374 hinzu. Im Monat Januar 2005 gab es 162 Neuzugänge.
Allerdings werfen viele der Existenzgründer bereits nach kurzer Zeit wieder das Handtuch. Insgesamt waren das landesweit seit Anfang 2003 über 2600 Firmen, also 14 Prozent. Vielfach blieben in diesen Fällen die Aufträge aus. Der Abbruch der Ich-AG bedeutet Ziegler zufolge aber nicht immer, dass die Mini-Firma nicht lief. Laut einer aktuellen Studie fanden 40 Prozent der Ich-AG-Abbrecher einen Job, die meisten davon in eine Stelle mit Sozialversicherung. Man kann mit einer Ich-AG jedoch auch in die Schuldenfalle geraten. Häufig muss teure Technik beschafft werden und wenn die Aufträge nicht ausreichen, dann fehlt das Geld, um die Kredite abzuzahlen. Nach einer stichprobenartigen Befragung von einem Drittel der Abbrecher häuften 16 Prozent von ihnen Schulden bis zu 10 000 Euro an. Manche stehen sogar noch deutlich tiefer in der Kreide.
Eine endgültige Bilanz kann erst 2006 gezogen werden, wenn die Förderung nach drei Jahren ausläuft. Dann wird sich zeigen, wie viele der Betriebe sich am Markt behaupten können.
»Wenn ein gutes Konzept vorhanden ist, bestehen durchaus Chancen«, denkt Wolfgang Thiel, Geschäftsstellenleiter der PDS-Landtagsfraktion. »Viele der Firmeninhaber greifen jedoch nach einem Strohalm und werden im Nichts landen.«
»Tausende staatlich subvetionierte Ich-AGs liefern unseren gestandenen Unternehmen einen ruinösen Wettbewerb«, klagt Wolfgang König, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Potsdam. »Mit ihren Billigangeboten sind sie bei der Auftragsvergabe oft erfolgreich und nehmen anderen Betrieben die Arbeit weg. Besonders dramatisch sei die Lage bei den Fliesenlegern. In diesem Gewerk muss man inzwischen nicht Meister und nicht einmal Facharbeiter sein. Im Kammerbezirk Potsdam stieg innerhalb eines Jahres die Zahl der Fliesenlegerbetriebe von 200 auf über 700.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/73957.boom-und-pleitegeier-bei-ich-ags.html