nd-aktuell.de / 07.07.2005 / Brandenburg

Fast kosmische Dimensionen

»Disappearence« - Fotografische Bilder von Chris Kremberg im Georg-Kolbe-Museum

Volkmar Draeger
Georg Kolbes Interesse am tanzenden Körper öffnet die Pforten des nach ihm benannten Museums in der Sensburger Allee auch Künstlern, die sich wie er an der Bewegung delektieren. So begleiten Plastiken des Meisters des tänzerischen Schwungs sowie seiner Kollegen de Fiori und Kasper auch die aktuelle Ausstellung von Chris Kremberg. »Disappearence« heißt sie scheinbar paradox, wo man Anwesenheit erwartet. Wie Verschwinden und Sichtbarkeit zusammengehen, erfährt man schon im Ausstellungsraum des Parterre. Der Blick der Fotokamera fällt von oben auf eine dichte Menschengruppe. Nacken und Köpfe sind eher zu ahnen, denn die Kamera verwischt die menschlichen Objekte bis zum Verschwimmen der Kontur. Übrig bleibt eine gemalt wirkende, grobkörnige Komposition in Grüntönen, bei der Individualität in einer flächigen Masse verschwindet. Der Moment entleibt den Körper, lässt ihn Teil eines kalkuliert verfließenden Ganzen werden. Schräg gegenüber wiederholt sich dieses Abbildungsprinzip mit der Sicht auf wie in Aufregung fortstrebende Menschenrücken. Den Mittelpunkt des Saals bildet ein Triptychon in Schwarz-Weiß. Vor hellem Grund steht, bewegt sich eine Tänzerin. Ihr sich auflösender Körper sucht das Einssein mit der Fläche. Diese fotografischen Körperbilder sind von beachtlichem Format, bis hin zu 180 mal 120 Zentimeter, und werden auf Aludibond unter Acryl präsentiert. Dazu bringt man, erläutert Chris Kremberg, im Labor das Foto auf zwei dünne Aluminiumschichten auf, zwischen denen sich eine Kunststoffschicht befindet. Vorteil dieses Verfahrens: Die Schichten ziehen keine Säure vom Foto, das Ausstellungsprodukt ist nicht so schwer, kann gut zwischengelagert werden. Kremberg, 1971 im thüringischen Mülhausen geboren, studierte Malerei und Fotografie, auch als Meisterschülerin, an der Hochschule für Kunst und Design in Halle, Kostüm- und Bühnenbild an der Kunsthochschule in Berlin. Stipendien ermöglichten ihr Auslandsaufenthalte, Preise krönten ihr vielfach gezeigtes Werk. Sie kam gerade aus Italien zurück, was im Souterrain des einstigen Kolbe-Ateliers zu besichtigen ist. Drei Studien schreiben da den Drehschwung einer Frau fest. Die unscharfen Körperränder verleihen den Fotos ebenso eine fast kosmische Dimension wie zwei noch weiter reduzierte Schwarz-Weiß-Aufnahmen in einem Extrakabinett. Was ein menschlicher Nacken unter wehendem Haar sein könnte, ist nur noch als kleine Schemen wie Flecken eines Spiralnebels auszumachen. Alle Formate verzichten auf einen Rahmen, verteidigen sich nicht gegen die Wand. Auch nicht die drei Phasen eines stürzenden oder liegenden Körpers auf grünlichem Grund, als eile die Kamera aus dem fahrenden Zug über die Objekte hin, oder ein ins Bild ragender Arm in Fleischesfarbe auf Weiß. Immer hebt sich der raumlose Gegenstand in der Fläche auf. Bis 21.8., Georg-Kolbe-Museum, Sensburger Allee 25, Charlottenburg, Tel.: 304 21 44.