nd-aktuell.de / 11.07.2005 / Wirtschaft und Umwelt
Dreckschleuder Toner
Dicke Luft durch Rußpartikel, Schwermetalle und Gase
Volker Macke
Feinstaub aus Dieselruß ist in aller Munde. Dabei verbringt der durchschnittliche Deutsche 90 Prozent seiner Zeit in geschlossenen Räumen. Und hier liegen die Belastungen durch Feinstaub häufig weit über den Grenzwerten für die Außenluft.
Laserdrucker und Kopierer, millionenfach in Firmen und Privathaushalten benutzt, stoßen einen ganzen Cocktail aus Rußpartikeln, Schwermetallen und Gasen aus. 850 Geschädigte sind bisher bundesweit aktenkundig. Sie klagen über Asthma, immer wiederkehrende Entzündungen der oberen Atemwege, Kopfschmerzen und Veränderungen des Blutbildes. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin will jetzt in einer Pilotstudie am Menschen den genauen Zusammenhang zwischen dem Einsatz von Druckertonern und gesundheitlichen Beeinträchtigungen überprüfen lassen. Erste Hinweise für eine mögliche Einstufung von Tonern als »gefährliche Produkte« gibt es längst. Aber auch Gegenstimmen.
1994 stellten spanische Wissenschaftler erstmals im renommierten Medizinjournal »The Lancet« einen Zusammenhang zwischen Tonerstaub aus Kopierern und Lungenerkrankungen her. Ein Jahr später veröffentlichte die US-Umweltbehörde EPA erste Ergebnisse eines Kammerversuchs mit 30 Probanden. In einem Raum mit jeweils einem in Betrieb befindlichem Drucker und Kopierer beklagten die Probanden nach kurzer Zeit Kopfschmerzen sowie Reizungen der Atemwege und Augen. 1996 berichtet Christine Armburster vom Pulmologischen Zentrum der Universität Wien ebenfalls in »The Lancet« von Lungenschäden durch das Einatmen von Tonerstaub am Arbeitsplatz. Im einem Tierversuch der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin entwickelten Ratten, die Tonerstaub eingeatmet hatten, allesamt Lungentumore - unabhängig von der Staubmenge.
Anders äußert sich bis heute das Berufsgenossenschaftliche Institut für Arbeitsschutz (BIA). In Kurzzeitversuchen an Ratten und Meerschweinchen seien keine nennenswerten Reaktionen aufgetreten. Das BIA hatte zwei handelsübliche lungengängige Toner-Feinstäube in die Luftröhre von Ratten gegeben sowie dieselben Stäube im Reagenzglas mit aus der Lunge von Meerschweinchen extrahierten Fresszellen in Berührung gebracht. Entzündungsreaktionen konnten in beiden Versuchen zwar festgestellt werden, »eine spezifische toxische Wirkung« sei bei Einhaltung der Gebrauchsvorschriften für die Bürogeräte aber »nicht zu erwarten«, heißt es im Abschlussbericht der Studie. Genau dies aber sei das Problem, warnt Professor Michael Braungart, Verfahrenstechniker an der Universität Lüneburg und Leiter des Hamburger Umweltinstituts. »Es wird zu wenig unter Alltagsbedingungen geprüft, da hat mal ein Papierstau die Walzen verändert oder die Geräte sind einfach schon einige Jahre in Betrieb. Das wird in solchen Versuchen bis heute nie berücksichtigt.«
Ob sich während des Betriebes von Laserdruckern und Kopierern gesundheitlich bedenkliche Konzentrationen einstellen, hänge einerseits von den räumlichen Gegebenheiten wie Raumgröße, Anzahl der Geräte, Druckintensität bzw. Tonerverbrauch pro Tag und Lüftungsverhalten ab, sagt Frank Jungnickel von der Gewerbeanstalt Bayern, die seit 1998 mehr als 100 Laserdrucker auf Emissionen prüft.
Vor allem aber hänge die mögliche Gefährdung von den eingesetzten Tonern ab. Deren Zusammensetzung hat es häufig in sich: Neben dem Hauptstoff Carbon Black, einer Mischung aus Ruß, Eisenoxid und dem Bindemittel Polyester, finden sich dort häufig feinstäubige Schwermetalle wie Nickel, Kobalt und Quecksilber, die auf die menschliche Lunge besonders entzündlich wirken. Zudem wurden die krebsverdächtigen aromatischen Kohlenwasserstoffe Styrol, Benzol und Phenol nachgewiesen. Organische Zinnverbindungen in einigen der Farbpulver machen die multitoxische Wirkung der Tonerstäube perfekt.
»Bisher weiß niemand, wie genau die Mischungen der einzelnen Tonerbestandteile auf den Menschen wirkt«, sagt der Gießener Umwelttoxikologe Professor Volker Mersch-Sundermann. »Die Tierversuche geben nur erste Indizien.« Das soll sich jetzt ändern. Ein Jahr lang will Mersch-Sundermann im Auftrag des BfR an rund 60 Freiwilligen die gesundheitlichen Reaktionen bei Tonerkontakt untersuchen. Geplant sind Alltagsbeobachtungen: Regelmäßig werden die Versuchspersonen medizinisch beobachtet und gleichzeitig die Luft am Arbeitsplatz auf Staub, flüchtige organische Verbindungen und Mikrobielles untersucht werden.
Am Ende könnte die Einstufung der Toner als »gefährliche Stoffe« stehen. Das würde bedeuten, dass die Hersteller künftig genaue nachvollziehbare Angaben über den Inhalt machen müssten.
Prävention wäre eine andere Möglichkeit: In Schweden müssen Laserdrucker in separaten Räumen mit eigener Lüftung aufgestellt werden, in den Niederlande sind Feinstaubfilter an den Lüftungsschlitzen der Geräte Pflicht. Auch so könnten die in deutschen Büros und Copyshops jährlich benötigten 50000 Tonnen Toner halbwegs sicher verwendet werden.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/74661.dreckschleuder-toner.html