Gartenkrieg und kein Ende
Treptow klagt gegen »Heide am Wasser« Von Peter Kirschey
Sie tragen idyllische Namen wie »Goldweide«, »Frohsinn«, »Gemütliches Heim« oder »Heide am Wasser«. Es sind Treptower Gartenanlagen an der Johannisthaler Chaussee, letztere Kolonie liegt direkt am Teltowkanal. Doch mit der Gemütlichkeit und dem Frohsinn ist es gerade hier schon lange vorbei. Denn die Heide-Gärtner führen einen erbitterten Kleinkrieg mit ihrem Bezirksamt Treptow, oder das Bezirksamt mit ihnen.
Gewöhnlich steigen Kleingärtner auf die Barrikade, wenn Pläne bekannt werden, Kleingartenland in Bauland umzufunktionieren. In diesem Falle läuft es umgekehrt. Die sich dort auf ihren Schollen erholen, hoffen, daß aus ihrem Kleingartenland Siedlungsgebiet wird - oder bleibt.
Die Vorteile des Kleingartenlandes sind klar- Man zahlt eine weit geringere
Pacht und hat relativen Bestandsschutz. Verbunden damit die Kleingartenphilosophie: Hier können sich auch Menschen aus bescheidenen Verhältnissen ein Stück Grün leisten. Der Nachteil des Kleingartenstatus' nach dem Bundeskleingartengesetz: Als Minigärtner ist man strengen Parzellengesetzen unterworfen, darf dort nicht bauen oder einen dauerhaften Wohnsitz nehmen, so man ihn nicht schon aus DDR-Zeiten hatte.
Die Anlage »Heide am Wasser« will raus aus der Kleingartenidylle, die Bewohner wollen endlich zur Ruhe kommen, wollen, daß ihr Status vom Bezirksamt respektiert wird. Rund 95 Päch-' ter weigern sich, wegen ungeklärter Statuslage ihre Pacht zu zahlen. Fast eine Million Mark Schulden sind seit 1992 so aufgelaufen, konstatiert das Bezirksamt. Also muß es 95mal zur Klage schreiten, um die Pacht einzutreiben. Darüber hinaus bestreitet die Behörde die Rechtmä-ßigkeit von Pachtverträgen zwischen Vereinsvorstand und Neupächtern. Schon
seit langem gibt es zwischen dem Naturschutzamt, dem zuständigen Bezirksstadtrat Dr Dieter Schmitz auf der einen und dem Vorstand von »Heide am Wasser« auf der anderen Seite keinen vernünftigen Draht mehr Treptow setzt auf Klagen und die Einsicht der Gärtner, daß ihre Positionen nicht gesetzeskonform sind.
Für die Frauen und Männer von der »Heide am Wasser« stellt sich die Lage deutlich anders da. Die Kolonie sei eben keine klassische Parzellensiedlung, meint der Vorstand. Die 272 Grundstücke haben eine durchschnittliche Größe von 650 Quadratmetern, die Tradition der Gartenanlage geht auf die Vorkriegszeit zurück, und schon 1955 wurden 70 Prozent der Flächen von Dauerbewohnern genutzt. Das sei die Realität und die habe das Bezirksamt zur Kenntnis zu nehmen, so die Gärtner, der strittige Ort sei schon immer mehr Siedlung als Kleingartenanlage gewesen. Deshalb nennen sich die Rebellen stolz »Gartensiedlung Heide am Wasser«. Ob Gärtner und Amtspersonen wieder einmal an einem Tisch zusammenkommen, steht in den Sternen. Die Siedler haben mit einer Unterschriftensammlung noch einmal bekundet, daß sie nicht zur Kapitulation bereit sind.
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