nd-aktuell.de / 28.10.1999 / Politik / Seite 10

Das traurige Ende eines Sunnyboys

Günter Görtz

m Sommer 1999»

Foto: dpa

Auch wer nicht unbedingt zu den Fans des Schlagersängers Rex Gildo gehört, wird von den Umständen, wie er sein Leben beendete, berührt sein. Offensichtlich von tiefen Depressionen getrieben, sprang er vor Tagen aus dem Fenster seiner Münchner Wohnung und erlag jetzt seinen schweren Verletzungen. Schlager, diese modernen Märchen für Erwachsene, werden nicht müde, der geneigten Hörerschar immer wieder aufs Neue einzuflüstern, wie schön das Leben sei. Und selbst die traurigste Schnulze spekuliert noch mit der Wirkung des Umkehrschlusses, dass man, war man erstmal richtig down, sich wieder über die kleinen Lichtblicke im wirklichen Leben freuen kann. Rex Gildo war aber immer der Mann für die Sonnenseite. Mit seinem Outfit und seinem Image stand er dafür. Sein Hossa! Hossa! aus »Fiesta Mexicana« wurde zu einem wahren Schlachtruf des erfolgreichen bundesdeutschen Kleinbür-

gers. Wenn Rex Gildo erschien, immer fein herausgeputzt, als wäre er gerade einem Modejournal entstiegen, freuten sich die Schwiegermütter über den gut ausehenden jungen Mann, waren männliche und weibliche Fans gleichermaßen hin. Als der Dunkelhaarige sich dann noch mit der blonden Gitte zusammentat, träumte sich die deutsche Schlagernation selig zu »Vom Stadtpark die Laternen« in eine Welt der Harmonie.

Unverdrossen sang er, auch als die Beatles begannen, mit neuen Tönen ein anderes Selbstverständnis von Unterhaltung und Wirklichkeit zu artikulieren, sang er vom unbeschwerten Leben weiter. So, als sei es ein unendliches Vergnügen, in der sonnenüberfluteten Toscana zu leben. Und ein millionenfaches Publikum war weiter bereit, ihm zu zuhören. Immerhin hat er mehr als 25 Millionen Schallplatten verkauft.

Im Unterschied zu so manchem heutigen Sternchen, das kurz am Schlagerhimmel flimmert, hat er sich seit seinem ersten Erfolg von »Sieben Wochen nach

Bombay« (1960) bis zu »Toujour amour« (1992) immer wieder in Erinnerung bringen können und in diesen Jahren man-

chen Hit gelandet. Für die Bühne hatte er sich gründlich vorbereitet. Nach Abitur und Handelsschule ließ sich Ludwig Alexander Hirtreiter in Gesang, Tanz und Schauspiel an der Münchner Otto-Falckenberg-Schule ausbilden, um dann als Rex Gildo den Start in eine erfolgreiche Karriere als Unterhaltungskünstler zu wagen.

Mit den Jahren, als die ganz großen Erfolge dann ausblieben, ging es ihm wie vielen anderen Künstlern dieses Genres, er verpasste den Zeitpunkt, rechtzeitig, zu mindest in diesem Metier, der Bühne ade zu sagen. In einem beinahe manischen Zwang, sich auch als 60-Jähriger noch ewiger Jugend verpflichtet zu fühlen, geriet er immer tiefer in den Widerspruch zwischen Wirklichkeit und Wollen. Einst ein gefragter Gast in großen Shows und als Prominenter von den Medien gehätschelt, fielen nun kaum noch Schlagzeilen für ihn ab. Höchstens, wenn Boulevard-Blätter glaubten, homoerotische Neigungen öffentlich machen zu müssen.

Seinen eigenen Abgesang auf drittklassigen Veranstaltungen, Betriebfeiern und Supermarkteröffnungen hätte er sich und seinen noch verbliebenen Fans ersparen sollen. Denn der Zwang zum Broterwerb war es wohl nicht, der ihn bis zum bitteren Ende weiter machen ließ.