Claudia Lehmann
Die 35-jährige gelernte Chemielaborantin und jetzige Regierungsbeamtin ist seit Sonntag Landesvorsitzende der FDP in Brandenburg
Foto: Joachim Liebe
Vielleicht liegt s ja auch am zweiten Vornamen der in jeder Hinsicht noch »Jungliberalen«: Ariane. Jedenfalls legte die selbstbewusste Frau, die erst 1993 FDP-Mitglied würde, in diesem Jahr politisch einen Raketenstart hin: Von der Schatzmeisterin des Ortsverbandes Hohen Neu-
endorf, wo sie 1964 das Licht der Welt erblickte, zur Kreisvorsitzenden Oberhavel und zum Mitglied des Landesvorstands. Überdies gelang ihr der Sprung auf die Plätze 2 bzw. 4 der FDP-Landeslisten zur Europa- und zur Landtagswahl, was ihr freilich nicht nützte, weil ihre Partei in Brandenburg wie anderswo seit Jahren die Latte politischer Relevanz nur von unten sieht. Das letzte FDP-Ergebnis im Lande betrug magere 1,86 Prozent.
Trotzdem tönte Ex-Landeschef Hinrich Enderlein am Sonntag beim Parteitag in Potsdam: »Ab heute melden sich die Liberalen in der Landespolitik zurück.« Und das, obwohl die Delegierten der nur noch reichlich 1200 zahlenden Parteimitglieder vor allem darüber stritten, ob es zumutbar ist, den monatlichen Zuschuss, der gebraucht wird, um die Landesgeschäftsstelle zu finanzieren von 5 auf 8 Mark pro Mitglied zu erhöhen. So richtig politisch wurde es nur beim - beschlossenen - Antrag, FDP-Chef Gerhardt zum Rücktritt aufzufordern. Weil nach einem Jahr als Opposition ein Profil weder inhaltlich noch personell erkennbar sei. So wie in Brandenburg - dort freilich seit 1994.
Beliebt dürfte sich die jüngste FDP-Landesvorsitzende mit solch forschem Vorgehen beim Altherren-Club im Berliner Thomas-Dehler-Haus kaum machen. Doch das schert sie offenbar nicht. Ihre Wahl zeige, dass auch junge Leute bereit sind, liberale Ideen voranzubringen, fand sie. Die verheiratete Mutter eines 15-jährigen Sohnes will sich insbesondere um Förderung von Klein- und Mittelbetrieben, Bildungspolitik und »Innere Sicherheit« kümmern. Mit Letzterem hatte sie schon als Sachgebietsleiterin »Allgemeine Ordnungsangelegenheiten« im Landratsamt Oberhavel zu tun. Seit Ende 1995 Beamtin im Justiz-, Bundes- und Europaministerium, zahlt sich nun für sie sicher auch aus, dass sie nach Lehre und Arbeit als Chemielaborantin im WTZ Potsdam an der Humboldt-Universität Anglistik und Slawistik studiert hat. Damals war sie übrigens - bis 1989 - auch Mitglied der SED.
Ihrer raketenartigen FDP-Karriere tut das offenbar keinen Abbruch. Nachdem der einzige Gegenkandidat am Sonntag noch vor der Wahl seine Bewerbung zurückzog, erhielt sie 109 von 176 Stimmen. Claus Dümde
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/789483.raketenstart.html