nd-aktuell.de / 02.11.2005 / Ratgeber

Muss ein Balkonanbau geduldet werden?

An unseren Wohnblock, der einer Genossenschaft gehört, sollen bei einigen Wohnungen, auch bei unserer, nachträglich Balkone angebaut werden. Ich habe aber eine Wohnung ohne Balkon gemietet. Außerdem kann ich einen Balkon nicht nutzen, weil am Haus eine stark befahrene Hauptstraße vorbei führt. Deshalb können wir auch die Fenster nur sehr beschränkt öffnen. Außerdem sind damit nachteilige Veränderungen der Wohnungseinrichtung verbunden, weil eine Stellwand für Schränke wegfällt. Und zu alldem wird sich noch die Miete erhöhen, weil der Umbau als Modernisierung deklariert wird. Muss ich das wirklich dulden?
Monika M., Berlin

Das hängt von weiteren Umständen ab, die geprüft werden müssten. Nicht jede Modernisierung muss von Mietern geduldet werden. So gilt die Duldungspflicht nicht, wenn die Maßnahme für den Mieter und seine Familie eine Härte bedeuten würde und wenn die Wohnung in einen Zustand versetzt werden soll, wie er allgemeinnoch nichtüblich ist (das ist der Umkehrschluss aus § 354 Abs. 2 BGB). Das Problem besteht darin herauszufinden, ob der Ausstattungsgrad von Wohnungen mit Balkon im Land Berlin schon »allgemein üblich« ist. Darunter wird verstanden, dass mindestens zwei Drittel aller Wohnungen gleichen Alters innerhalb Berlins mit Balkon ausgestattet sind. Ob dies zutrifft, darf bezweifelt werden. Darüber kann man sich bei der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen informieren.
Liegt der Ausstattungsgrad mit Balkonen bei einem Anteil von weniger als zwei Dritteln, fehlt der vom Gesetz geforderte »Zustand, wie er allgemein üblich ist«. In diesem Fall können Mieter widersprechen. Außerdem kann auch eingewandt werden, dass eine wesentliche Verbesserung des Wohnwertes durch die Verkehrsbelastung der angrenzenden Straße und die Einschränkung des Wohnkomforts durch Wegfall einer Stellwand und Verlegung des Heizkörpers an eine andere Stelle nicht gegeben ist. Die Verweigerung der Duldung sollte schriftlich erfolgen und gut begründet sein. Gibt die Genossenschaft nicht nach, obwohl sie nicht Recht hat, sind weitere Auseinandersetzungen erforderlich. Die Genossenschaft könnte auf Duldung klagen, dann ist die gerichtliche Entscheidung abzuwarten.Klagt sie nicht und geht über den begründeten Widerspruch des Mieters hinweg, kann sich der Mieter mit einer Klage zur Wehr setzen und gerichtlich feststellen lassen, dass er nicht zur Duldung des Balkonanbaus verpflichtet ist.Läuft die Baumaßnahme an, bevor die angestrebte gerichtliche Entscheidung erfolgt ist, sollte man keine Bauarbeiter in die Wohnung lassen. Sonst könnte das als Duldung ausgelegt werden. Droht der Baubeginn, kann man sich auch mit einer einstweiligen gerichtlichen Verfügung zur Wehr setzen.

Dr. jur. HEINZ KUSCHEL


Siehe u. a. Rechtsentscheid Bundesgerichtshof, veröff. in Wohnungswirtschaft & Mietrecht 1992, S. 181