nd-aktuell.de / 11.01.2013 / Wissen / Seite 16

Ohne Moos, aber mit viel Heu

"Warum liegt denn hier Heu rum?" fragten sich neulich bayerische Schulkinder nach einer seltsamen Aktion zweier Ministerien

Ralf Hutter
Karikatur: Christiane Pfohlmann
Karikatur: Christiane Pfohlmann

Es ist seit Jahren einer der größten Lacher im deutschsprachigen Internet: »Warum liegt hier überhaupt Stroh rum?« Diese Frage entstammt dem absurden Mini-Dialog eines Pornofilms und wurde vielfach zitiert und kopiert, Millionen Male wurde die entsprechende Szene (ohne Sex) schon angeklickt. Die Szene kann als ein Internet-Mem bezeichnet werden, ein von vielen geteiltes Grundwissen, ein viel zitiertes und weiter entwickeltes Motiv.
Ähnliches Potenzial hat eine Aktion des bayerischen Landwirtschaftsministeriums, die vom Kultusministerium unterstützt wurde. Statt Eulen nach Athen könnte sprichwörtlich bald Heu nach Bayern getragen werden. Die Behörde brachte es nämlich fertig, im in weiten Teilen immer noch agrarisch geprägten Bundesland allen dritten und vierten Schulklassen kopfkissengroße Plastikpäckchen voller Heu zu schicken, um die Kinder neugierig auf Natur, Bauernhöfe und Lebensmittelproduktion zu machen. Kostenpunkt: 120 000 Euro.
Das Fernsehmagazin »Quer« des Bayerischen Rundfunks machte die Sache publik und suchte eine Schule in Oberfranken auf. »Mein Opa hat im Carport oben auch alles voller Heu« und »Jedes Kind weiß doch, was Heu ist«, sagen da verwunderte Kinder in die Kamera. »Das Heu stammt von einem Bauernhof und soll an das Leben in einem Dorf auf einem Bauernhof erinnern«, klärt ein Heubegleitpapier die vielen Dorfkinder Bayerns auf. »Die Sinne« soll das Heu ansprechen, kindgerecht eben, rechtfertigt sich das Ministerium. Dem regionalen Online-Portal »da Hog'n« teilte es mit, dass 11 000 Klassen an 3600 Grund- und Förderschulen angeschrieben worden seien. Lehrkräfte und Opposition ziehen aus der Aktion den Schluss: Immer zu wenig Moos vorhanden, dafür aber so viel Heu wie Stroh im Kopf.