nd-aktuell.de / 11.01.2013 / Brandenburg / Seite 12

Das Grauen in Grau

Zum Tode des Schauspielers Peter Fitz

Hans-Dieter Schütt

Manchmal schien es, sein gesamtes künstlerisches Leben sei auf eine breit lächelnde oder auch schmal lauernde Graumeliertheit zugelaufen. Peter Fitz war ein Balancekünstler; seinen Gestalten sah man die Bemühung an, das Nervenleben möge ihnen nie entlarvend, beschämend aus den Bahnen schießen - das gab den Figuren gebändigte Glätte, scharfe Geradlinigkeit oder eine beinah bürokratisch durchsetzte Biederkeit.

Aber wo das besagte Nervenleben denn doch aus den Fugen der Ordnung geriet, wurde aus Fitz ein tobgefährlicher Kobold, ein Schreikrampf in den Schlotteranzügen berstender Wohlanständigkeit. Dieser Schauspieler konnte Burgen aus Seelenstaub errichten, das Spiel endete nicht selten als Grauen aus purem Grau.

Er war der alte Piccolomini in Peter Steins Berliner »Wallenstein«-Monument: Staatstreue, die über die Leiche des eigenen Sohnes zu gehen bereit ist. Er war Claus Peymanns »Nathan« in dessen Lessing-Inszenierung am Berliner Ensemble: Fitz leicht, in komödiantischer Unrast, die sich vor der stückgeschichtlich so lastenden Weisheit dieser Mahngestalt geradezu herauswindet.

Ebenfalls am BE hatte Thomas Langhoff vor Jahren Gerhart Hauptmanns »Michael Kramer« neu entworfen. Fitz wieder in der Titelgestalt. Ein Porträt des Mittelmaßes; da war ein Schatten und nannte sich Körper. Ein Maler, dieser Kramer, aber kein Künstler, eine Krämer-Seele; nichts war stark in diesem schwachen Leben; kein Menschenschoner, eher ein Ärmelschoner; ein Pusseliger, der brav die Stullen auspackt in der Nähe verführerischer Schönheit.

Auch bei Christoph Schlingensief an der Volksbühne wirkte er mit, in »Atta Atta - Die Kunst ist ausgebrochen«, ein Teletubbie-Campingplatz der chaotischen Selbstfindungen nach dem 11. September 2001. »Keine Schmerzen, keine Irritationen, keine Verpflichtungen mehr!, dafür ist Atta in den Turm gesprungen« - so wurde die neue Individualitäts-Verfassung gefeiert.

1931 in Kaiserslautern geboren, lernte Fitz sein Handwerk am Hamburger Schauspielhaus. Nach Stationen in Mainz, Osnabrück, Frankfurt am Main holte Peter Stein ihn 1970 an die Berliner Schaubühne am Halleschen Ufer. Grandios 2001 sein Doktor West in Zadeks Ibsen-Meistersstück »Rosmersholm« am Wiener Akademietheater, neben Angela Winkler und Gert Voss: die Tugend als Inquisitionsprogramm. Der radikale Seelensucher Zadek hatte ganz neue Seiten in Fitz entdeckt, ihn in überraschend schillernde Gefilde gelockt - wo ein Lächeln Eiszeit anzeigte und noch das pastoralste Schweigen ein scharfes Gebiss trug.

Peter Fitz, seit Jahren ein Wanderer des Theaters, lange Zeit ein erfolgreicher Filmschauspieler, ist am Mittwoch im Alter von 81 Jahren in Berlin gestorben.