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»Was kann der liebe Kreml dafür?«
Gesehen
Wortwahl ist nicht Schall und Rauch. Das Potsdamer Landtagsgebäude auf dem Brauhausberg wurde einst als Sitz der SED-Bezirksleitung von den Leuten »Kreml« genannt. Wenn dies auch nach der Wende noch beibehalten wurde, so galt es doch im politischen Bereich nicht mehr unbedingt als schick, selbst auch von »Kreml« zu reden. Kurz vor dem großen Umzug hinab ins wieder aufgebaute Stadtschloss war es gestern nun wieder anders. »Abschied vom Kreml« heißt eine Fotoausstellung, die auf den Fluren der SPD-Landtagsfraktion eröffnet wurde. Nicht einmal in Anführungszeichen gesetzt, kam der Spitzname sozusagen auf den letzten Metern noch einmal zu Ehren.
»Ich habe den Kreml okkupiert«, sagte der Hauptredner des Tages, Wolfgang Birthler, 1990 erster Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion. Seit langem lebt er im uckermärkischen Ruhestand, doch den Abschied vom Hohen Haus in Bildern, den ließ sich Birthler nicht entgehen.
Verschiedene Fotografen haben die denkwürdigen Momente der vergangen zwei Jahrzehnte festgehalten - natürlich in erster Linie die SPD-Momente. Dem Betrachter vermitteln sie eine heitere Atmosphäre innerhalb der politischen Sphäre. »Man konnte damals überall rauchen«, schwärmte Birthler. Wehmut in SPD-Gemütern wird bezogen auf die vergangenen Jahrzehnte verständlich, denn die Kreml-Jahre in Potsdam waren SPD-Jahre. Niemals hatten die Sozialdemokraten ihre unangefochtene Spitzenposition im Landtag abgeben müssen. Mit Blick auf das niederschmetternde Ergebnis bei der Bundestagswahl am vergangenen Sonntag fragt sich mancher mit Bangen: »Wird das im Schloss so bleiben?«
Zuvor hatte der aktuelle SPD-Fraktionschef Klaus Ness die Atmosphäre der ersten Nachwendejahre gelobt. »Alle duzten sich.« Parteiübergreifend sei um die besten politischen Lösungen gerungen worden. Kollegial sei es zugegangen.
Aber nicht immer. Wolfgang Birthler erinnerte sich: »Wir in der Kirche haben zu DDR-Zeiten Diskriminierung erlebt und uns geschworen: Nie wieder soll jemand in unseren Land diskriminiert werden.« Weil die CDU dies mit der damaligen PDS aber probiert habe, sei er, Birthler, dazwischen gegangen: »Die habe ich auf ihre Blockflötenvergangenheit hingewiesen, damit war das auch erledigt.« Mit dem Baufachmann Hartmut Meyer - dieser wurde später Verkehrsminister - habe er sich 1991 die einstige SED-Bezirksleitung angesehen und erkannt, dass hier der Landtag unterkommen könnte. »Das Gebäude schien brauchbar.«
Unzulänglichkeiten, Provisorien, unzweckmäßiger Aufbau - all dies »hat uns nicht gestört«, bekannte Birthler. Mit sauren Gurken und Schmalzstullen sei die Einweihung gefeiert worden. Nun sei der Abschied gekommen, der auch »eine Art Beerdigung ist«. Mit Blick auf schmeichelnde Reden über Verblichene setze Birthler hinzu: »Es wird ja nirgends so oft gelogen wie auf Beerdigungen.« Im Falle des Kremls sei das jedoch anders, dem würden Schmähungen wie »alte Hütte« und »Bruchbude« hinterhergerufen. In der Tat, spielte der SPD-Politiker auf die in Marmor, Glas und Messing erstrahlenden ministerialen Tempel an, die nach 1990 in Potsdam eintreffende westdeutsche Ministerialbürokratie hatte nie im Sinn, für die Landtagsabgeordneten auch nur annähernd solche Bedingungen zu schaffen wie für sich selbst. Das habe nicht auf deren Agenda gestanden. »Was kann denn der liebe alte Kreml dafür?«, fragte Birthler. Er prophezeite für die Zeit nach dem Umzug: »Mancher wird hochgucken und sagen: So schlecht ist es dort gar nicht gewesen.«
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