nd-aktuell.de / 25.02.2000 / Politik / Seite 16

Ronald Weckesser

rung erhalten bleibt, wenn der Kapitaldienst wiederum nur durch neue Verschuldung gedeckt wer den kann.

Allerdings ist das Bekenntnis zu einer Verschuldungspolitik unter solchen Annahmen mehr Trivialität denn umstrittene These. Stutzig macht, dass ihm zwar alle zustimmen, wenn es aber an die praktische Arbeit geht, man reihenweise Leute findet, die für ihre konkreten Projekte Geld brauchen und fordern. Und alle begründen das mit sozialen und politischen Notwendigkeiten, notfalls mit Ausflügen ins Gesellschaftstheoretische, etwa dass der Politik das Primat gebühre oder dass Gesellschaft nicht betriebswirtschaftlich gesteuert werden könne. Und da die für notwendig erachteten Wünsche regelmäßig den vorhandenen finanziellen Rahmen sprengen, wird ebenso regelmäßig, zumindest geistig, in fremde Taschen gegriffen: Der Bund soll zahlen, der Länderfinanzausgleich muss verbessert werden, die Reichen haben zu viel, Prestigeobjekte sind entbehrlich, die Verschuldung kann erhöht wer den.

Selten bis gar nicht hingegen trifft man auf Politiker, die vor schlagen, wie die Einnahmen - etwa zur Verbesserung sozialer Leistungen - realistisch, das heißt unter heutigen Bedingungen, zu erhöhen wären. Eine höhere Belastung der Allgemeinheit, beispielsweise über Steuern, Abgaben und Gebühren, passt ja erst recht nicht ins Arsenal sozialistischer Politik.

Ich bestreite nicht die Sinnhaftigkeit der politischen Wünsche. Ich bestreite auch nicht die angeführten denkbaren Finanzierungsquellen. Allerdings macht es mich stutzig, wenn ein einzelnes Prestigeobjekt zum x-ten Mal als Gegennnanzierung vorgeschlagen wird, wie es mich stutzig macht, wenn laufende Ausgaben im sozialen Bereich solchen Einmalprojekten gegenübergestellt wer den. Und Konzepte, zu deren Umsetzung mindestens auch auf Bundesebene eine PDS-Mehrheit er forderlich wäre, machen mich auch nicht sonderlich glücklich.

Ich halte eine Verschuldungspolitik für unverantwortlich, die den heutigen Handlungsrahmen er weitert, aber den zukünftigen einengt. Finanzpolitische Nachhaltigkeit bedeutet, Verschuldung mit ihren Folgen auf absehbare Zeit beherrschbar zu halten. Wenn Zinslast das Handeln bestimmt, ist es zu spät für bewusste und zielgerichtete politische Gestaltung. Dann diktieren wirklich die ungeliebten Sachzwänge den Gang der Dinge.

Am sächsischen Beispiel: Das derzeitige Haushaltvolumen liegt bei etwa 31 Milliarden Mark. Absehbar ist ein Rückgang auf möglicherweise 28 Milliarden, beispielsweise wegen der Reform des Länderfinanzausgleichs. Nicht absehbar ist ein überdurchschnittlicher wirtschaftlicher Aufschwung, der das kompensieren könnte. Wiederum absehbar ist eine Er höhung der Personalkosten infolge der Tarifkämpfe. Und absehbar ist ein ansteigender Kapitaldienst auf zurückliegende Verschuldung.

Man mag solche Entwicklungen bedauern, sie für falsch halten, aber sie werden auf das Land zukommen, auch auf die PDS-Opposition. Und sie werden sie noch stärker betreffen, sollte die PDS genau in dieser Situation Regierungsverantwortung übernehmen. Denn dass PDS-Politik und ihre Teilnahme an Wahlkämpfen letztlich auf Regierungsverantwortung gerichtet sind, ist unzweifelhaft. Ob, wann und wo sie in Regierungsverantwortung treten muss, liegt nicht in ihrer Hand, das entscheiden die Wähler.

Eine zusätzliche Neuverschuldung von 200 oder 300 Millionen, entsprechend einem halben bis einem Prozent, löst die Grundsatzprobleme nicht. Also sollte der Ehrgeiz der PDS darin bestehen, die politische Unsinnigkeit des Umgangs der heutigen Mehrheit mit den heutigen Finanzen, den vollen 100 Prozent, nachzuweisen und politische Vorschläge zum besseren Einsatz derselben Mittel zu unterbreiten. 31 Milliarden Mark sind eine Menge Geld, selbst wenn ein großer Teil davon strukturell gebunden ist. Eine solche Politik ist anschaulich, ver mittelbar, und sie wird von vielen erwartet.