nd-aktuell.de / 10.02.2006 / Wirtschaft und Umwelt

Uran reicht nur bis 2070

Greenpeace warnt vor Erschöpfung der weltweiten Reserven

Ina Beyer
Bis zum Jahr 2070 werden sich die weltweiten Uranreserven erschöpft haben, prognostizierte Atomexperte Thomas Breuer von Greenpeace gestern in Berlin.
Der Experte stellte gestern in Berlin eine Studie zur Versorgungssicherheit mit dem Rohstoff vor. Angesichts des spätestens in 65 Jahren zu erwartenden Versorgungsengpasses hält er die Forderung der CDU/CSU nach einem »Ausstieg aus dem Ausstieg« für zu kurz gedacht. Im Zusammenhang mit der Gaskrise zwischen Russland und der Ukraine Anfang des Jahres versuchen die Konservativen derzeit erneut, den unter Rot-Grün geschlossenen Kompromiss zur mittelfristigen Stilllegung der Kernkraftwerke zu kippen. Stattdessen wollen sie wieder vermehrt auf Kernkraft setzen, um sich - so die Argumentation - von ausländischen Lieferanten unabhängig zu machen. Auch in Sachen Klimaschutz verspricht sich die CDU/CSU Vorteile von der Kernenergie. Solche Argumente sind für Uran-Experte Peter Diehl von der internationalen Umweltorganisation WISE (World Information Service and Energy) unhaltbar. Mit rund einem Viertel der Gesamtmenge sei Russland der größte Uranlieferant der EU, erläutert er. Die EU sei zudem abhängig von den Großlieferanten Kanada (20 Prozent) und Australien (16 Prozent) sowie Kasachstan, Usbekistan und Niger. »Bundeswirtschaftsminister Glos will die Bevölkerung wohl hinters Licht führen, wenn er die Sorge vor einer Abhängigkeit von Russland am Gasmarkt dazu nutzt, die Atomenergie zu propagieren«, mutmaßte auch Thomas Breuer. Im Gegenteil hätten sich die Weltmarktpreise seit 2001 verfünffacht. Steigen die Preise weiter in die Höhe, könnte die EU nach Breuers Argumentation in absehbarer Zeit vor dem gleichen Problem wie vor wenigen Wochen die Ukraine stehen. Schon jetzt überschreitet die Nachfrage nach Uran die Menge des Abbaus bei weitem: Etwa 40 000 Tonnen gewonnenem Rohstoff stand im Jahr 2004 ein Verbrauch von 68 435 Tonnen weltweit gegenüber. Die von Greenpeace vorgelegten Zahlen unterscheiden sich deutlich von den Prognosen der Atomwirtschaft. Die rechnet mit ausreichenden Reserven für die nächsten 200 Jahre. Dabei stütze sie sich auf vermutete Reserven von 9,8 Millionen Tonnen. Gesichert seien diese Zahlen aber nicht, erläutert Breuer. Nach Angaben der Konferenz für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) liege die Menge der bekannten Vorkommen dagegen bei etwa 4,6 Millionen Tonnen. Neben ökonomischen Erwägungen machen vor allem ökologische und weltpolitische Faktoren das Uran für Greenpeace zum Sorgenkind. Solche Aspekte aber blieben in der jetzigen Debatte unterbeleuchtet, kritisiert Thomas Breuer. Mit Blick etwa auf den Atomstreit im Iran verwies er auf das friedensgefährdende Konfliktpotenzial des Rohstoffes. Wer über die Technologien zur Energiegewinnung aus Uran verfüge, sei prinzipiell auch in der Lage, daraus Atomwaffen herzustellen, warnte er. Die Bundesrepublik könnte dem Iran aber durch eigenen Atomausstieg glaubwürdig vermitteln, selbst auf die geplante Anreicherungsanlage zu verzichten. Bedenklich stimmen auch die umweltpolitischen Risiken beim Uranabbau. Da der Rohstoffgehalt in den Abbaugebieten gering sei, müsse unverhältnismäßig viel Natur zerstört werden, kritisierte Peter Diehl. Die schlammigen Abbaurückstände enthielten zudem giftige und radioaktive Stoffe wie Arsen, Radium oder das Lungen- krebs erzeugende Radon-Gas. Die aktuelle Debatte bei der CDU/CSU weise somit keine realistischen Lösungen aus der Energiekrise auf, betonte Peter Breuer. »Erneuerbare Energien und Effizienz« müssten stattdessen im Zentrum einer zukunftsfähigen Umweltpolitik stehen.