nd-aktuell.de / 08.03.2006 / Ratgeber

Baugenehmigung und gewerbliche Nutzungsänderung

Meine Enkeltochter möchte auf dem Grundstück ihres Großvaters ein seit vier Jahren ungenutztes Gebäude zu einer Imbiss-Gaststätte umgestalten. Das Bauordnungsamt forderte von ihr, eine Nutzungsänderung zu machen. Denn nach zwei Jahren Leerstand würde die bisherige gewerbliche Nutzungsberechtigung verfallen. Was sollen wir tun?
Christa M., 15898 Neuzelle

Die Quintessenz der Auskunft an Frau M. ist, daß das Bauordnungsamt die in dem vorhandenen Gebäude beabsichtigte gewerbliche Tätigkeit und damit zusammenhängende Umbaumaßnahmen als bauplanungsrechtlich relevant ansieht. Dies hat zur Folge, daß eine Baugenehmigung, nämlich für eine Nutzungsänderung, eingeholt werden muss, selbst wenn an der Gebäudesubstanz nichts geändert wird.
1. Die Grundlage zur Beurteilung, ob dies so ist, findet sich in § 29 Baugesetzbuch (BauGB). Danach ist für alle Bau-Vorhaben, die die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben, eine Entscheidung über die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens erforderlich.
Nutzungsänderungen fallen unter den Begriff des Vorhabens im Sinne des § 29 BauGB, wenn sich die planungsrechtliche Frage neu stellt, also planungsrelevante Belange anders oder stärker als bisher betroffen sind. Gebäude und Nutzung bilden bei der planungsrechtlichen Beurteilung eine Einheit.
Übersetzt heißt dies, dass es bei der Prüfung des Vorhabens nicht nur auf den (unverändert bleibenden) äußeren Baukörper ankommt, sondern auch auf die beabsichtigte jeweilige Nutzung. Ist diese eine wesentlich andere als die bisherige, so liegt eine Nutzungsänderung vor, auch wenn sich der äußere Baukörper nicht ändert.
Mit einer Änderung der Funktion (des Nutzungszwecks) verliert ein Vorhaben deshalb als Ganzes seine Identität, so dass die Nutzungsänderung in diesem Sinne die Genehmigungsfrage neu aufwirft. Mit anderen Worten wird ein Genehmigungsverfahren bei der Baubehörde erforderlich.
Dies ist ein Teil des Hinweises des Bauordnungsamtes. Bei einer zurückliegenden Nutzung eines Gebäudes als Büroräume, Schulungsräume etc. und Umnutzung in eine Imbissgaststätte könnte man eine planungsrechtlich relevante Nutzungsänderung annehmen.
2. Unabhängig davon ist hier von Relevanz, dass die frühere gewerbliche Nutzung bereits vor vier Jahren endete. Und bei Neuaufnahme einer gewerblichen Nutzung nach mehr als vier Jahren wird nach Auffassung des Bauordnungsamtes bereits deshalb die Genehmigungsfrage neu aufgeworfen.
Bei diesem Problemkreis stellt sich auch die Frage des Bestandsschutzes. Die durch eine bestimmte Nutzung ursprünglich vorhandene Prägung der näheren Umgebung wirkt auch noch für eine gewisse Zeit nach Aufgabe einer Nutzung. Doch nach vier Jahren kann grundsätzlich von einer endgültig aufgegebenen gewerblichen Nutzung ausgegangen werden. Die Neuaufnahme einer gewerblichen Nutzung ist also genehmigungsbedürftig.
Frau M. wird wohl nichts anderes übrigbleiben, als einen entsprechenden Bauantrag beim Bauordnungsamt zu stellen, wozu sich im Hinblick sowohl auf die planungsrechtlichen als auch die bauordnungsrechtlichen Belange die Hinzuziehung eines Architekten, Bauingenieurs etc. empfiehlt.
3. Anhand der Angaben im Leserbrief ist nicht nachvollziehbar, ob eine zurückliegend nur bestandsgeschützte gewerbliche Nutzung in dem Gebäude vorlag oder ob auch eine Wiederaufnahme der gewerblichen Nutzung genehmigungsfähig ist.
Grundsätzlich kann für das Nachwirken einer früher bestandsgeschützten Nutzung gesagt werden, dass noch im ersten Jahr nach Beendigung einer früheren Nutzung nach der Verkehrsauffassung stets mit einer Wiederaufnahme früherer bestandsgeschützter Nutzung gerechnet werden kann. Nach Ablauf von zwei Jahren spricht vieles für eine durch Stillegung beendete Nutzung. Davon geht hier wohl das Bauordnungsamt aus. Es entspricht auch der Regelvermutung, wie die Rechtsprechung sie herausgearbeitet hat.
Die Konsequenz bei einer zurückliegend nur bestandsgeschützten Nutzung wäre, dass bei bauplanungsrechtlich heute nicht genehmigungsfähiger gewerblicher Nutzung eine solche im vorhandenen Bauwerk versagt werden könnte, auch wenn früher eine legale gewerbliche Nutzung des Gebäudes erfolgte.
FRANK AUERBACH,
Rechtsanwalt, Berlin