Bei Barbara Rütting war das Maß voll. Voller Zorn schickte sie dem Phar makonzern Solvay Arzneimittel GmbH in Hannover ein besonderes Präsent - ihren eigenen Urin. «Da Solvay darauf besteht, Urin für die Herstellung von Presomen zu benutzen, spende ich hier mit meinen eigenen», schrieb die Schauspielerin und Autorin in einem Brief an Geschäftsführer Wieschollek.
Seit Jahren ist Presomen Anlass für Kampagnen von Tierschützern. Das Hör monpräparat gehört zu jenen, die auf «natürliche» Weise gewonnen werden - aus dem Urin schwangerer Stuten. Dafür werden auf Farmen in den USA und Kanada rund 75 000 Stuten gehalten. Nach der Wegnahme neu geborener Fohlen werden sie sofort wieder neu gedeckt.
Der an Östrogenen, den weiblichen Sexualhormonen, reiche Urin (Pregnant Mare Urin, PMU) wird bei den Pferden in einem großen Gummibeutel gesammelt, der um ihren Bauch geschnallt ist. Für die 458 PMU-Farmen, die die Pharmaindustrie beliefern, ist das bei einem Literpreis von 4 his 5 US-Dollar ein lukratives Geschäft. Umso trauriger sieht es mit den Haltungsbedingungen für die Stuten aus. Jahr für Jahr verbringen sie den überwiegenden Teil ihrer langen Schwangerschaft angebunden in winzigen Stallboxen, ununterbrochen angeschlossen an die Urinsammei-Vorrichtung, die fest an das Hinterteil des Tieres gepresst ist.
Tierschutzorganisationen werfen den Farmern zudem vor, den Stuten freien Zugang zu Trinkwasser zu verweigern, um angeblich die Östrogenkonzentration im Urin zu erhöhen. Ein weiteres tragisches Kapitel ist das Schicksal der als «Nebenprodukt» geborenen Fohlen. Nach Angaben der Tierrechtsorganisation PETA werden die unerwünschten Tiere mit 120 Tagen von ihren Müttern getrennt - lange vor dem Alter, in dem sie entwöhnt sind. Die meisten landen beim Schlachter.
In den USA wird das Thema Presomen (dort erhältlich unter dem Namen Premarin) von Tierschützern immer wieder auf spektakuläre Weise in die Öffentlichkeit gebracht. So stellten sich die Hollywood- Stars Sylvester Stallone, Richard Gere und Robert Redford an die Seite von PETA und «adoptierten» jeder ein Premarin-Fohlen.
Die in den USA übliche Art der Östrogen-Gewinnung ist in Deutschland ver boten. Was die deutsche Pharmaindustrie allerdings nicht daran hindert, aus Über see Stuten-Urin zu beziehen und so am Profit aus den tierquälerischen Praktiken teilzuhaben. Hier zu Lande wird Presomen derzeit von rund einer Million Frauen eingenommen. Die meisten von ihnen wissen ebenso wenig wie die verschreibenden Ärztinnen und Ärzte um die grausamen Herstellungsbedingungen. Denn in den Produktinformationen wird diesbezüglich große Zurückhaltung geübt.
«Es ist eine Schande», konstatierte Bar bara Rütting angesichts der Tatsache, dass der Solvay-Konzern weiter an diesem fragwürdigen Inhaltsstoff festhält, obwohl es bereits synthetische und pflanzliche Alternativen dazu gebe.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/868741.urinspende-an-solvay-konzern.html