nd-aktuell.de / 14.09.2000 / Politik / Seite 14

Die Spur der Schweine

Ingolf Bossenz

Friedrich Hebbel vermerkte 1838 in seinem Tagebuch, das Schwein sei »das Nonplusultra von Glück, es befindet sich wohl im Kot«. Wer immer noch dieser verklärenden Sicht anhängt, den zu bekehren war der ARD-»Report« aus Mainz am Montagabend trefflich geeignet. Unter dem Titel »Schlachtvieh ohne Lobby - Die Schweinemäster und ihre Methoden« verfolgten die Filmemacher Manfred Karremann und Marina Kopf die Spur der Schweine von einer Massenhaltung im Allgäu bis zum Schlachthof in Norddeutschland. Eine Blutspur, wie der Film mit drastischen Bildern belegte. Die Muttersauen müssen, bewegungslos eingepfercht und ohne frische Luft, Generation auf Generation gebären. Unmittelbar nach der Geburt werden den Ferkeln die Schwänze kupiert, die sich die intelligenten und bewegungsfreudigen Tiere in der Intensivmast sonst vor Langeweile und Qual gegenseitig abfressen würden. Dann folgt die Kastration der männlichen Tiere, denn das Fleisch unkastrierter Eber gilt in Deutschland als Verkaufsrisiko, weil ein bis drei Prozent davon mit Geruch behaftet sein können. Während es in der EU mit Dänemark und den Niederlanden bereits Länder gibt, die sich gegen das Kastrieren stark machen, hält Deutschland an der grausamen Praxis fest - grausam, weil die Tiere ohne Betäubung und Schmerzmittel diesem chirurgischen Eingriff ausgesetzt werden. Möglich macht das eine Ausnahmeregelung im deutschen Tierschutzgesetz, die auch nach dessen Novellierung erhalten blieb. Lediglich das Alter, in dem betäubungslose Kastration erlaubt ist, wurde auf vier Wochen herabgesetzt.

Zwei Mal sehen die Tiere das Tageslicht, bei der Einstallung für die Intensivmast und beim Verladen zum Schlachthof. Drei Monate Mast machen sie reif für die Rouladen- und Schnitzel-»Produktion« und viele von ihnen zum physischen Wrack. Vom hohen Ammoniakgehalt der Luft ver ätzte Augen, Husten, schwere Beinverletzungen durch die Spaltenböden gehören zum Alltag. Bis zu einer halben Million Schweine jährlich überleben in Deutschland den oft viele hundert Kilometer langen Transport zum Schlachthof nicht. Der Film sparte auch nicht aus, wie die Tiere in Gruppen mit Strom betäubt, in Gaskammern getrieben und abgestochen werden. Doch bei allem moralischen Impetus: Anders ist billiges Fleisch nun mal nicht zu haben. Und der so genannte Ver braucher verlangt schließlich danach.