nd-aktuell.de / 13.02.2001 / Politik / Seite 19

Moll-Klänge am Frankenholzer Weg

HMH-Kunstforum bangt um sein Orchester Von Anouk Meyer

Einen Kampf gegen Zeit und gegen die Mühlräder der Bürokratie führen Lutz Daberkow und Reinhard Heinisch: Das HMH-Orchester, berufliche Heimat für 52 Musiker und Berlins jüngstes Sinfonieor ehester vor allem für Hohenschönhausen, Marzahn, Hellersdorf, steht ab 31. März vor dem Aus. Es fehlen 800 000 Mark Fördergeld vom Senat. Damit wäre das in Deutschland einmalige Projekt weiteres Opfer der Sparzwänge.

Lutz Daberkow, künstlerischer Leiter des Orchesters und Vorsitzender des Trägervereins HMH-Kunstforum, will das auf keinen Fall zulassen. Gegen alle Widerstände gründete der ehemalige Intendant des Halberstädter Theaters den Klangkörper vor zwei Jahren mit Hilfe der damaligen Arbeitssenatorin Christine Bergmann. Zum Vorspiel 1999 kamen über 300 Musiker. Heinisch sagt, für sie sei Arbeitslosigkeit besonders schwer zu ertragen. Das Orchester läuft als Struktur anpassungsmaßnahme (SAM). Die Kosten von rund 3,3 Millionen Mark pro Jahr für Gehälter und Sachkosten teilen sich das Arbeitsamt und der Senat. Das Bezirksamt Marzahn übernimmt zwei Drittel der Betriebskosten für das Theater am Park (TaP) am Frankenholzer Weg 4.

Während das Arbeitsamt Ost das SAM- Projekt ein drittes Jahr fördern würde, ist die Mitfinanzierung durch den Senat noch ungesichert. HMH-Sprecher Heinisch: »Für ein Sinfonieorchester ist die Summe ein Klacks.« Er hofft auf die Stimme der Vernunft, denn »Wenn wir dichtmachen, muss Vater Staat das Arbeitslosengeld zahlen«. Viel mehr bekommen die Mitglieder des HMH-Orchesters, ausgewählt aus abgewickelten oder verkleinerten Ensembles aus ganz Deutschland, ohnehin nicht. Sie bestreiten ihr Leben mit durchschnittlich 2100 Mark im Monat. Das ist etwa ein Drittel des Verdienstes bei einem normalen Orchester. Auch sonst wiederlegen die Mitglieder das Klischee vom über empfindlichen Künstler- Der Probe- erinnert fatal an einen Lagerraum, und als im Winter die Heizung umgebaut wurde, wurde im Mantel geübt.

Dass hier ausschließlich Profis am Werk sind, zeigt die hohe Qualität der Aufführungen. »Wir können jedem etablierten Orchester Konkurrenz machen«, sagt der künstlerische Leiter. Die 60 Auftritte pro Jahr sind ausverkauft, für Aufführungen wie die Operngala im November oder Beethovens Neunte Sinfonie zu Silvester hätte man das Vierfache an Karten ver kaufen können. Das mag am niedrigen Eintrittspreis von 10, ermäßigt 8 Mark, liegen, vor allem aber daran, dass der Nordosten nicht zu Unrecht als Kultur wüste gilt und das HMH-Orchester ein Einzugsgebiet von 500 000 Einwohnern bedient.

Daberkow und Heinisch sind unermüdlich. Das Duo läuft von Pontius zu Pilatus, wirbt bei Mitgliedern des Bundestages und der Bundesregierung um politische Unterstützung. Mit ersten Erfolgen: Die Grünen planen eine Anfrage, Gregor Gysi hat Unterstützung zugesagt, ebenso Conrad Eick von der CDU Das Programm für die nächsten beiden Konzerte steht. Bleibt zu hoffen, dass es nicht die letzten sind.

Konzerte: 24.2. u. 10.3., 19.30 Uhr, Theater am Park, Frankenholzer Weg, Biesdorf, 25.2., 11.3., 11 Uhr, Theater Karlshorst, Treskowallee, 16.3., 19.30 Uhr, Zitadelle Spandau, Kartentel. 51 70 01 55