nd-aktuell.de / 03.04.2001 / Politik / Seite 11

Große Flußfahrt im Kulturkaufhaus

Astrid Volpert

Männer denken an Männer. Auch in der bildenden Kunst, wenn es um Posten, Preise und Plätze im Ausstellungsbetrieb geht. Selbst, wenn der reale weibliche Anteil im Beruf bei 45 Prozent liegt, gehen geld- und prestigeträchtige Nominierungen zumeist an die anderen. Diesem Fakt ein Gegenargument zu liefern, ließ das zuständige Bundesministerium zusammen mit BBK und Frauen Museum Bonn in den 90er Jahren einen lukrativen Preis mit gutem Namen ausloben. Gabriele Munter zu Ehren entstand so der europaweit erste Kunstpreis für bildende Künstlerinnen, die älter als Vier zig sind.

2000 zum dritten Mal vergeben, macht die damit verbundene Ausstellung gerade in Leipzig Station und hinterlässt dort im Ganzen wie im Detail einen des Sehens und Nachdenkens werten Eindruck. Neben der aus 1350 Bewerberinnen in vier Juryrunden gekürten Preisträgerin Rune Mields geben 39 ihrer Kolleginnen Einblicke in ihr Schaffen. Die Reihe reicht von den Grandes Dames Helene Moch und Ingeborg Hunzinger über Christina Kubisch, Elke Hopfe und Conny Schleime bis zu Doris Frohnapfel und Ellen Fuhr. Jede vierte Kunstfrau stammt aus dem Osten, was Inhalte und künstlerische Handschriften der Schau kräftig belebte und vertiefte.

Zur kalten Logik der Welt numerischer Systeme, wie sie die Kölnerin Rune Mields mit ebenso schöner wie erschreckender Perfektion wiedergibt, bieten sich kontrastreiche Gegenentwürfe an. So modelliert die Bildhauerin Kerstin Grimm aus Berlin mit ihrer «Großen Flußfahrt» in filigranen Bronzen ein zerbrechliches Gleichnis der Sehnsucht, ans andere Ufer zu gelangen. Die Überfahrt als Flucht und Aufbruch des Menschen. Das Ziel, glückliche Ankunft, ist ungewiss. Zu den wenigen Botschaften weiblichen Blicks, die andere Welten nicht ausschließen, gehören Helga Paris Schwarzweißporträts junger italienischer «Legionari». Um den Bahnhof herum müssen sie sich um ihrer Existenz willen verdingen. Die Fotografin braucht keine äußeren Effekte. Sie konzentriert sich auf die Gesichter der Jungs, die für den Moment der Aufnahmen gewohnte Stärke und Gewalt im Überlebensspiel von Abwehr und Angriff vergessen machen.

Die Fotografin zeigt so die innere Zerrissenheit, ihrem Leben keine andere Chance geben zu können.

Die Leipziger Ausstellungshalle im Ambiente alter Fabrikarchitektur, zuvor genutzt als Depot des Leipziger Zentralantiquariats und für die Kunstschau erst aufwändig hergerichtet, bekommt der Mehr zahl der Exponate, auch denen von Westkünstlerinnen, ausnehmend gut. Sie müssen sich im Raum behaupten, der dekorative und illustrative Momente oder bloße Museumsästhetik nicht zulässt. Für Annette Sauermanns «Lichträder» aus Beton und Folie oder Desiree Baumeisters schwebenden Papier-Nautilus ist das kein Problem.

Ausstellungshalle in Leipzig-Plagwitz, Zschochersche Str. 79 e (Tram 2, 4 vom Hbf.). Bis 30. April, Mo-Fr 14-19 Sa 10-14 Uhr.