nd-aktuell.de / 05.07.2006 / Ratgeber
Wenn Häuser auf der Abriss-Liste stehen
Unser Haus soll in einem Jahr abgerissen werden. Welche Rechte haben Mieter in solchen Fällen? Wer entschädigt sie für von ihnen finanzierte Einbauten? Müssen sie nun eine angebotene Wohnung mit höherer Miete akzeptieren?
Sabine P., Gera
Der geplante ersatzlose Abriss eines Wohnhauses stellt keinen Kündigungsgrund dar. Es gibt auch keinen Kündigungsgrund »Abriss« im Gesetz, doch im Mietrecht der Bundesrepublik gab es schon immer das Recht des Vermieters, seinen Mietern zu kündigen, wenn er durch »Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde« (§ 573 Abs. 3 BGB).
Diese Regelung war bis zum 30. April 2004 für Mietverhältnisse in Ostdeutschland ausgeschlossen. Doch seit dem 1. Mai 2004 hat der Bundesgerichtshof dieses Kündigungsverbot aufgehoben.
Ausgelöst wurde diese Entscheidung des BGH durch die Zurückweisung einer Revision von Mietern gegen ein Urteil des Landgerichts Gera vom 25. Juni 2003. Die letzten Mieter eines Elfgeschossers wehrten sich dagegen, dass ihnen gekündigt wurde, weil ihr Haus im Rahmen eines geförderten Stadtentwicklungskonzeptes abgerissen werden soll. Das Landgericht hat die Mieter damals zur Räumung verurteilt (Az. 1 S 123/03). Das könnte als ein spezieller Ausnahmefall gesehen werden. Doch mit seinem Urteil vom 24. März 2004 erachtete der BGH die Kündigung von ostdeutschen Mietern in Abrisshäusern, zugunsten einer »angemessenen wirtschaftlichen Verwertung« und/oder aus »berechtigtem Interesse« des Vermieters, als zulässig.
Was darunter zu verstehen ist, definierte der BGH so: »Wirtschaftliche Verwertung« sei Abriss und Neubau. Eine Kündigung wegen Abriss ohne Neubau entspräche dagegen dem »berechtigten Interesse« des Vermieters an einer Kündigung, wenn das Grebäude fast leer steht. Das Grundrecht des Vermieters auf Verwertung seines Eigentums, so das Gericht, dürfe nicht auf Dauer ausgeschlossen werden, zumal in den ostdeutschen Bundesländern die Einschränkung der Eigentumsgarantie, durch die Wohnungssituation mit erheblichem Leerstand überholt sei.
Von Rechten der Mieter war in diesem Zusammenhang keine Rede. Es gibt keine mietrechtliche Regelung für die Bereitstellung einer gleichartigen Wohnung, für Entschädigung oder Erstattung der Umzugskosten. Der Deutsche Mieterbund verweist aber darauf, dass die Gerichte von Vermietern gefordert hätten, sich intensiv und ausreichend um eine einvernehmliche Lösung mit den Mietern zu kümmern. In Gera wurde das auch versucht. Den Mietern wurden bei freiwilligem Auszug Ersatzwohnungen und die Übernahme der Umzugskosten angeboten. Im Vertrauen darauf, dass es keine gesetzliche Handhabe für eine Abrisskündigung gab, lehnten die letzten Mieter ab.
Mietern in ähnlichen Situationen ist zu raten ihre Interessen möglichst gemeinsam wahrnehmen, wenn sie auch ohne gesetzliche Abrisskündigung, gezwungen werden aus ihren Häusern auszuziehen. Sie können dabei mit dem Interesse der Vermieter rechnen, den hohe Kosten verursachenden Leerstand in fast leergezogenen Häusern möglichst rasch zu beseitigen, zugleich aber auch zuverlässige Mieter für sich zu behalten.
Wenn Vermieter Wohnungen anbieten, das Angebot prüfen, nicht unbesehen ablehnen! Anspruch auf gleiche Miethöhe wie in der bisherigen Wohnung gibt es leider nicht, aber man kann ja darüber verhandeln. Der gültige Mietvertrag ist dafür die wichtigste Grundlage! Deshalb auf keinen Fall aus Frust und Ärger, den Mietvertrag selbst kündigen. Bei Einvernehmlichkeit über Beendigung des Mietvertrages die Umzugsbedingungen schriftlich vereinbaren. rdt.
BGH-Urteil vom 24. März 2004, Az. VIII ZR 188/03
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/93041.wenn-haeuser-auf-der-abriss-liste-stehen.html