nd-aktuell.de / 31.05.2014 / Sport / Seite 12

Kämpfen im Käfig

Mixed Martial Arts boomt in Amerika und Asien – am Sonnabend kommt der Vollkontaktsport nach Berlin

Nikolaj Stobbe
Auf dem amerikanischen Kontinent und in Asien boomt der Vollkontaktsport MMA. Nun will der umstrittene »Mehrkampf« Europa erobern und richtet am Samstag in Berlin einen Kampfabend aus. Deutsche Politiker schlagen Alarm.

Für die einen ist es pure Gewalt, für die anderen ein faszinierendes Schauspiel: Die Mixed Martial Arts - kurz »MMA« - gehören zu den rasant wachsenden Sportarten der Welt. Das umstrittene Kampfspektakel im Oktagon (Achteck) polarisiert. Entweder ist man dafür oder dagegen - dazwischen gibt es nicht. Eigentlich eine gute Ausgangsposition für eine boomende Sportart, die jedoch hierzulande auf Widerstand stößt. Im deutschen Fernsehen wurde MMA bereits verboten.

»Wir wollen die sportliche Landkarte auf dem Globus verändern. 74 Prozent unserer Fans sind nicht älter als 30 Jahre. Wir haben 1,7 Milliarden Downloads bei Youtube«, sagt Marketingdirektor Garry Cook von der Ultimate Fighting Championship (UFC). Die UFC, mit Sitz in Las Vegas, ist der weltweit größte Veranstalter von MMA-Fights und hat in den USA beim Pay-per-View mit 1,6 Millionen Käufen pro Kampf das Boxen schon überholt. Cook: »Ich sage deutschen Politikern immer: Sie können unseren Sport nicht aufhalten.«

Doch die harte Gangart im Käfig mobilisiert die Gegner. Vor allem die Regel, dass beim Bodenkampf noch geschlagen und zum Teil getreten werden darf, macht den Sport angreifbar. Oft wird ein Gegner mit Faust- und Ellenbogenhieben so lange bearbeitet, bis Blut spritzt. Gleichzeitig muss man der UFC zu Gute halten, dass sie die Regeln verschärft hat. Techniken wie Kopfstöße, Tiefschläge und das Einführen von Fingern in Körperöffnungen wurden abgeschafft. Box-Größen gehen die Einschränkungen nicht weit genug. »Es ist ein brutaler Sport. Doch wer es mag, soll es sich ansehen«, sagt Champion Arthur Abraham. IBF-Weltmeister Felix Sturm zeigt Respekt: »Die Jungs machen noch einige Dinge mehr als wir. Sie können einen schnell auf den Boden holen.« Sturm meint aber auch: »Da kann jeder Kampf der letzte sein!«

Zu Beginn des MMA Anfang der 90-er Jahre war noch alles erlaubt. US-Filmregisseur John Milius (»Conan, der Barbar«) hob den Sport aus der Taufe. Er wollte wissen, in welcher Kampfsport der wahre Champion zu finden ist und lud Kämpfer aller Stile (Boxen, Kickboxen, Ringen, Judo, Karate, Muay Thai, Jiu-Jitsu) ein. Als 2001 die Brüder Fertitta die UFC kauften, ging es bergauf. TV-Sender wie »Fox« sprangen an und machten die »gemischten Kampfkünste« dem Mainstream zugänglich. Eine Erfolgsstory, die sich in Deutschland nicht fortsetzen ließ. Als 2010 im damaligen »DSF« erste Kämpfe gezeigt wurden, schritt die Bayerische Landeszentrale für neue Medien ein und verbot das Format. Eberhard Gienger, sportpolitischer Sprecher der CDU im Bundestag, kann dem Kampfsport bis heute nichts abgewinnen. »Da zieht sich bei mir alles zusammen. Wenn einer am Boden liegt, wird da noch draufgehauen«, sagt der frühere Turnweltmeister.

Die UFC aber lässt nicht locker. Beim Kampfabend am Samstag in der Arena am Berliner Ostbahnhof vor 12 000 Zuschauern trifft der frühere Wrestler Mark Munoz auf den Ex-Kickboxer Gegard Mousasi, der es sogar mit Boxchampion Wladimir Klitschko aufnehmen will: »Ich würde ihn schlagen. Er ist der bessere Boxer. Aber er hat keine Techniken am Boden.«

Ginge es nach Berlins Innensenator Frank Henkel, wäre der Kampfabend am Ostbahnhof nie zustande gekommen. »Das ist für mich kein Sport, sondern ein gewaltverherrlichendes Schauspiel«, sagt der CDU-Politiker. Henkel sieht bei der Veranstaltung aber keinen Handlungsspielraum: »Auf private Hallen hat der Senat keinen Zugriff.«

Die ablehnende Haltung der Politiker können einige Mediziner nicht verstehen. Der Düsseldorfer Sportarzt Mahmoud Taghavi betreut MMA-Events und schreibt an einer Studie über Verletzungen bei dem Käfigsport: »Während eines Boxkampfes gehen die meisten Schläge bis zu zwölf Runden lang in Richtung Kopf. Und dort entstehen die gravierenden Verletzungen in Bezug auf neurologische Folgeschäden. Beim MMA enden statistisch gesehen von zehn Kämpfen drei oder vier, in denen es zu kaum einer Schlagwirkung gegen den Kopf kommt.« SID