Wo sonst zu Technobässen getanzt wird, wechselten am Samstagabend Kunstdrucke die Besitzer. Berliner Künstlerinnen und Künstler hatten 25 Werke für den guten Zweck gestiftet. Gesammelt wurde im about blank am Ostkreuz für die Flüchtlinge vom Oranienplatz und in der besetzen alten Gerhart-Hauptmann Schule.
Durch den Auktionsabend führte das Travestie-Duo »Böse Tanten«. Die versuchten mit zotigen Sprüchen gekonnt, die Gäste zu Höchstgeboten zu animieren. Erstehen konnten die Besucher alles - vom einfachen Siebdruck über die Kaltnadelradierung bis hin zum Linolschnitt. Getreu dem am Anfang des Abends von den Moderatoren ausgegebenen Motto »Nur Bares ist Wahres« wurde direkt im Anschluss bezahlt.
Vorher stand aber der Spaß am Bieten im Vordergrund. Schnell waren die ausgegebenen Pappkarten mit den Nummern vergriffen. Auf die Idee gekommen waren die Initiatoren dieser Auktion der besonderen Art, Ingolf Seidel und Thomas Monses, am vergangenen Silvesterabend. Seidel kommt aus der Bildungsarbeit und Monses vom Fach, er ist Maler. Als das Gespräch auf die Proteste der Flüchtlinge am Oranienplatz kommt, sind sie sich einig: Es muss geholfen werden. Die Nähe zur Kunstszene gibt den entscheidenden Impuls in Richtung des Formats.
Wie dringend die Proteste der Flüchtlinge derzeit auf Unterstützung angewiesen sind, erläutern zwei Aktivisten zu Beginn eindringlich. Patrick aus Uganda ist schon fast von Anfang an dabei. Im August 2012 verließ er Passau, wo er in einer Sammelunterkunft untergebracht war, um sich dem Refugee-Protestmarsch nach Berlin anzuschließen. Die drei Kernforderungen sind bis heute nicht erfüllt: die Abschaffung der Residenzpflicht, die Asylsuchenden verbietet, sich frei zu bewegen, die Abschaffung von Lagern zugunsten der Unterbringung in Wohnungen und der sofortige Stopp aller Abschiebungen.
Seitdem im Frühjahr das Protestcamp in Kreuzberg geräumt wurde, wird die Situation des Protestes immer schwieriger. Es gibt wichtige Unterschiede beim Status der Flüchtlinge, die in Berliner protestiert haben und dies immer noch tun. Die Politik habe sich diese Unterschiede gezielt zu Nutze gemacht, um die Aktivisten zu spalten, beklagt Patrick. Das vielzitierte Abkommen mit dem Senat enthalte nicht mehr als einige humanitäre Maßnahmen für die sogenannte Lampedusa-Gruppe, also die Flüchtlinge, die in Italien Asyl beantragt haben und nach Berlin weitergeschickt wurden. Denjenigen, die in Deutschland Asyl suchen, bringe das nichts. Sie setzen ihren Protest fort. Dieser wird jedoch immer öfter mit Repression beantwortet. Nachdem die Gemeinde der Gedächtniskirche ein Kirchenasyl verweigert hatte, campierten sie auf dem Breitscheidplatz. Von der Polizei wurde das Lager jedoch wenig später geräumt, die Flüchtlinge wegen Verstoßes gegen die Residenzpflicht festgenommen und in ihre Unterkünfte in Sachen-Anhalt zurückgebracht.
Die Abschiebung eines Flüchtlings aus dieser Gruppe konnte in der vergangenen Woche verhindert werden. Patrick und die anderen lassen sich aber nicht entmutigen. Auf dem Oranienplatz soll das von Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) zugesicherte Informationszelt errichtet werden. In der besetzten Schule in Kreuzberg braucht es dringend zusätzliche sanitäre Anlagen. Zumindest ein Teil des benötigten Betrages von mindestens 5000 Euro brachte die Versteigerung am Wochenende ein.
Die Hände schnellen in die Höhe. Die Stimmen der Auktionatorinnen überschlagen sich. Es wird viel gelacht. Die »Bösen Tanten« geben die Interpretationen der Künstler zu ihren Werken zum Besten. Fehlt diese Beschreibung, zögern sie nicht, ihre eigenen Fähigkeiten als Kunstkritikerinnen unter Beweis zu stellen. »Die Multitude der Subalternen im Protest geeint«, kommentieren sie etwa das Werk »Freedom vs. Dictatorship« des Künstlers Michael Beyer. Dieser hat wenige Reihen von ihnen entfernt Platz genommen.
Mit 42 Euro erzielt jedoch der dreifarbige Comic-Siebdruck »Adagios Traum« von Maki Shimuzu den höchsten Preis des Abends. Trotz lockerer Atmosphäre fehlt es nicht an ernst gemeinten Appellen, sich zu engagieren. Dafür braucht es mitunter nur einen Wohnsitz in Berlin und etwas Zeit. Die Dauermahnwache der Flüchtlinge benötigt rund um die Uhr mindestens eine Person mit gültigem Personalausweis, damit sie weiter bestehen kann.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/934675.drucke-fuer-die-gute-sache.html