Oberflächlich betrachtet, käme ein Gesetz, das kleinen Gewerkschaften vermeintliche Streikorgien verböte, gerade recht - fiel es zuletzt doch schwer, sich auf chaotisierten Bahnhöfen nicht schwarz zu ärgern. Tatsächlich verhält es sich aber auch andersherum. Die bloße Ankündigung eines Gesetzes zur »Tarifeinheit« hat die viel gescholtenen Lokführer erst so richtig angestachelt - muss sich deren Gewerkschaft davon doch existenziell bedroht fühlen.
So sicher ein »Anti-GDL-Gesetz« derzeit also populär wäre, so sehr wäre es ein unheilvolles Geschenk an die Gewerkschaften. In der jetzt vorliegenden Fassung ist es sogar kontraproduktiv, weil das Prinzip, in jedem Betrieb gelte nur der Tarif der jeweiligen Mehrheitsgewerkschaft, findigen Arbeitgebern Hebel verschaffen würde, über einen smarten Unternehmenszuschnitt das ohnehin brüchige Tarifwesen noch weiter zu fragmentieren.
Auch wenn - wie der DGB jetzt fordert - Klauseln eingebaut würden, die das verhindern, bleibt das Vorhaben problematisch. Es formuliert zwar keinen ausdrücklichen Eingriff in Koalitionsfreiheit und Streikrecht, hätte aber eine solche Wirkung. Folgerichtig groß sind die Meinungsverschiedenheiten im Gewerkschaftslager, die der nun vom DGB präsentierte Formelkompromiss kaum verdecken kann. Und entsprechend sicher löst die Arbeitsministerin mit diesem Gesetz ein Ticket nach Karlsruhe zum Verfassungsgericht.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/952793.ticket-nach-karlsruhe.html