nd-aktuell.de / 24.12.2014 / Das APO-Lexikon

Folge 76: Vermummen (Verb)

An Weihnachten bekommt das Vermummen einen fast schon heiligen Anstrich: Zehntausende (meist) Männer ziehen sich einen Kapuzenumhang sowie eine Perücke samt großem Bart über, um sich unkenntlich zu machen. Das ist gesellschaftlich durchaus erwünscht und wird vom Staat nicht sanktioniert. Bei öffentlichen Veranstaltungen jenseits des weihnachtlichen Friedens sieht dies ganz anders aus: Laut §17a Abs. 2 des Versammlungsgesetzes ist eine »Aufmachung« verboten, die »geeignet und den Umständen nach darauf gerichtet ist, die Feststellung der Identität zu verhindern«. Wer enttarnt wird, muss blechen oder mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr rechnen.

Das Vermummungsverbot ist ein recht junger Straftatbestand in der Bundesrepublik und stammt aus dem Jahr 1985. Die 68er-Bewegung war noch unverkleidet in Hemd und Jeans zu Demos erschienen. Doch die medientechnische Aufrüstung der Staatsmacht mit Videotrupps und überall postierten Fotografen in den späten 70ern führte zu einer Gegenreaktion: Das in Mode befindliche Palästinensertuch wurde über Mund und Nase gestülpt. Das hatte neben dem Vermummungszweck vor allem ästhetische Gründe und stärkte das Zusammengehörigkeitsgefühl. Mit der Zeit wurde die Verkleidung verbessert – durch schwarze, legere Einheitskleidung mit Hasskappe. Dann schlug die Strafrechtskeule des Vermummungsverbots zu. Heute trägt man im schwarzen Block gewöhnlich einen modischen Kompromiss: Kapuzenpulli, Käppi, Schal und Sonnenbrille. qrt