Die Blockade ist kein Thema

Softe Themen wie Visafragen und mögliche Botschaftseröffnungen stehen im Mittelpunkt

  • Andreas Knobloch
  • Lesedauer: 4 Min.
Es ist die hochrangigste US-Regierungsdelegation seit Jahrzehnten, die in dieser Woche nach Havanna reisen wird. Vorrangig wird es bei den Verhandlungen um bessere Beziehungen beider Länder gehen.

Havanna. Es sind zwei Frauen, die die Verhandlungen führen werden, wenn Vertreter Kubas und der USA zusammenkommen. Die US-Delegation wird geleitet von der stellvertretenden Außenministerin und Lateinamerika-Beauftragten der US-Regierung, Roberta Jacobson. Sie war bereits 2011 nach Havanna gereist, damals noch in anderer Funktion. An der Spitze der kubanischen Delegation steht, wie bereits bei den Migrationsgesprächen im vergangenen Juli in Washington, die für die USA zuständige Direktorin im kubanischen Außenministerium, Josefina Vidal.

An diesem Mittwoch wird zunächst das turnusmäßige Treffen zum Thema Einwanderung stattfinden, tags darauf wird es um die Wiederaufnahme der schon seit 1961 unterbrochenen diplomatischen Beziehungen sowie die Eröffnung von Botschaften gehen. Die Migrationsgespräche finden bereits seit 1995 im Halbjahres-Rhythmus statt. Sie waren nach der sogenannten »Balsero-Krise« von 1994 aufgenommen worden. Damals flohen nach Unruhen am 5. August mehr als 33 000 Menschen über die kurzzeitig geöffnete Grenze nach Florida. Beide Regierungen traten damals angesichts dieses Massenandrangs in Verhandlungen über eine kontrollierte Auswanderung. Nach dem Amtsantritt von US-Präsident George W. Bush wurden die halbjährlichen Treffen ab 2003 ausgesetzt und erst 2009 vom derzeitigen Amtsinhaber Barack Obama wieder aufgenommen. Wegen der Verurteilung des US-Bürgers Alan Gross zu einer 15-jährigen Haftstrafe in Kuba wegen Spionage wurden sie von 2011 bis Juli 2013 erneut unterbrochen.

US-Außenamtssprecherin Jen Psaki sagte, es gehe darum, »eine sichere, legale und geordnete Migration zwischen den USA und Kuba zu schaffen«. Die Gespräche werden sich vor allem um Visafragen, die Bekämpfung illegaler Einwanderung, Menschenhandel und die Fälschung von Visadokumenten drehen. Aus Sicht der kubanischen Regierung ist der Cuban Adjustment Act »Hauptanreiz für die ungeordnete Migration«. Dabei handelt es sich um ein auch als wet-foot-dry-foot-policy bekanntes Gesetz, nach dem kubanische Migranten eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung bekommen, die »trockenen Fußes« US-Territorium erreichen. Die gegenwärtige US-Einwanderungspolitik sorgt dafür, dass jedes Jahr einige Tausend Kubaner den gefährlichen Weg über die Meerenge zwischen Kuba und Florida wagen - oft mit selbst gebauten Booten.

Die angekündigte Annäherung beider Staaten hat für Spekulationen gesorgt, nach denen mit der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen die Grundlage für den Cuban Adjustment Act wegfiele. Obama hat hier jedoch kaum Handlungsmacht; eine Aufhebung des Gesetzes kann nur der US-Kongress beschließen - wonach es derzeit nicht aussieht.

Nach dem Mitte Dezember von Obama und Kubas Staatschef Raúl Castro gestarteten historischen Annäherungsprozess sollen die seit Längerem anberaumten Gespräche zu Migration genutzt werden, um die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen und die Einrichtung von Botschaften zu verhandeln. Dies könne relativ schnell geschehen, hieß es aus US-Regierungskreisen. Roberta Jacobson selbst hatte Mitte Dezember erklärt, für eine Wiederaufnahme der Beziehungen reiche es aus, dass beide Regierungen das Vorgehen vereinbarten und Absichtserklärungen austauschten; ein Abkommen müsse dafür nicht unterzeichnet werden.

Für die Wiedereröffnungen der jeweiligen Botschaften müssten zunächst beide Länder gleichermaßen das mit der Schweiz ausgehandelte Abkommen aufheben, nach dem die Eidgenossenschaft als diplomatischer Vermittler fungiert. Allerdings verlautbarten bereits einige republikanische Abgeordnete des US-Kongresses, dass sie die Ernennung eines US-Botschafters für Kuba blockieren wollen.

Themen wie Demokratie und Menschenrechte werden bei den US-kubanischen Gesprächen eine »zentrale Rolle« einnehmen, erklärte Jacobson; auch wolle sie Vertreter der kubanischen Zivilgesellschaft treffen. Erst in der vergangenen Woche hatten die kubanischen Behörden als »Zeichen des guten Willens« 53 von den USA als »politisch« eingestufte Gefangene freigelassen. Daraufhin lockerte die US-Regierung am Freitag in einem ersten Schritt zu einer Normalisierung der Beziehungen Reisebeschränkungen für US-Bürger nach Kuba sowie Ein- und Ausfuhrbestimmungen. Zudem besuchte eine Gruppe von US-Kongressabgeordneten um den demokratischen Senator Patrick J. Leahy am Wochenende Havanna, um das Klima für den Verhandlungsauftakt in dieser Woche weiter zu verbessern.

Angesichts des »immensen« Katalogs an Verhandlungsthemen erscheint es wahrscheinlich, dass bei dem Treffen am Donnerstag zunächst »die einfacheren Angelegenheiten vorrangig« behandelt werden, wie eben die Frage der Botschaftseröffnung, so der frühere kubanische Diplomat Carlos Alzugaray gegenüber der spanischen Nachrichtenagentur EFE.

Das Treffen in Havanna ist nur der Auftakt eines gerade beginnenden Prozesses hin zu einer Normalisierung der Beziehungen. Und dieser wird Zeit brauchen.

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