16 Länder auf einen Streich

Ein neuer bundesweiter TV-Sender will mit Regionalnachrichten seinen Platz auf dem deutschen Fernsehmarkt finden

  • Christian Schultz
  • Lesedauer: 4 Min.
Sorgen der Küstenbewohner, Themen aus dem Ruhrpott und Dinge, die Menschen in Thüringen oder Sachsen umtreiben. Über all das will das neue Deutsche Regional Fernsehen (DRF1) berichten.

Urbar. Es hat wenig vom riesigen ZDF-Sendezentrum auf dem Mainzer Lerchenberg oder anderen großen Sendeanstalten. Das Deutsche Regional Fernsehen (DRF1) in Urbar bei Koblenz in Rheinland-Pfalz sitzt in einem eher unscheinbaren Gebäude, oberhalb des Rheins. Und doch: Von hier aus wird seit wenigen Wochen ein bundesweites Programm produziert, das mit regionalen Nachrichten seinen Platz auf dem deutschen TV-Markt finden will. Gesetzt wird auf Kooperationen mit anderen kleineren Sendern und auf ein Netz aus freien Videojournalisten.

Seit 9. Februar ist der Privatsender DRF1 auf Sendung. Rund 20 Mitarbeiter, etwa die Hälfte Redakteure, basteln am Programm. Das bietet unter der Überschrift »16 Länder - ein Sender« News und Reportagen aus der ganzen Republik vor allem aus Politik, Wirtschaft und Vermischtem. Jeden Tag startet ab 18 Uhr ein einstündiges Programm, das dann rund um die Uhr wiederholt wird. »Das ist nach wie vor die Primetime«, sagt Normann Schneider, einer von zwei DRF1-Geschäftsführern. Jede Viertelstunde wird abwechselnd aus dem Norden, Osten, Süden und Westen berichtet.

Doch kann ein Konzept mit reichlich Regionalem erfolgreich sein? Grundsätzlich ja, sagt der Medienwissenschaftler Sascha Michel von der Universität Koblenz-Landau. »Lokale und regionale Themen, die gut gemacht sind, haben eine Zukunft.« Das Programm müsse aber professionell gemacht sein. »Man muss wie die großen Sender arbeiten, nur auf Lokal- und Regionalniveau.« Mit Material von Hobbyfilmern oder Berichten über Schützenvereine alleine funktioniere es nicht. Es gehe etwa darum zu beleuchten, was globale Entwicklungen vor Ort bedeuteten. »Wir können Regionalität«, sagt Schneider selbstbewusst. »Es geht bei uns nicht um den Tsipras-Besuch bei Merkel. Aber Dämm-Probleme am Haus betreffen viele Deutsche im Norden, Süden, Osten und Westen.« Die Menschen seien heute deutschlandweit vernetzt. »Sie haben in Hamburg studiert, arbeiten in München, müssen geschäftlich nach Berlin, haben eine Mutter in Wanne-Eickel und wandern in der Rhön.«

Beiträge oder ganze Sendestrecken bekommt DRF1 von Videoreportern oder durch Kooperationen mit anderen, meist regionalen Sendern, zurzeit etwa 15. So laufen etwa Wohnzimmerkonzerte des Internetsenders muxx.tv aus Erftstadt. »Wir wollen nah bei den Menschen sein«, sagt Co-Geschäftsführer Christian Opitz. Noch sei das Netzwerk nicht groß genug. Das sei auf längere Sicht aber wichtig, um regionale Befindlichkeiten zu kennen. »Noch tappen wir da in Fallen.« Denkbar seien im Programm auch Handyfilme bei besonderen Ereignissen wie etwa einem schweren Sturm an der Küste, sagt Schneider. »Das ist nicht unser Qualitätsanspruch, aber im Aktuellen verzichten wir nicht darauf.« Fremdbeiträge würden aber vor der Ausstrahlung stets im Haus gesichtet. »Wir sind journalistisch verantwortlich.«

Empfangbar ist DRF1 über digitales Kabel und per Livestream im Internet. Über Digitalkabel erreicht der Sender 8,8 Millionen Haushalte mit 16 Millionen Menschen. Doch eine große Zahl an Empfängern alleine langt nicht, wie der Experte Michel betont. »Um erfolgreich zu sein, muss man die gesamte Bandbreite an Zielgruppen berücksichtigen.« Wenn das gelinge und viele Formate im Programm seien, der Sender als Marke wiedererkennbar sei und soziale Netzwerke genutzt würden - dann hätten Regionalsender Potenzial. »Es gibt noch Platz neben den Dritten.«

DRF1 hat nach eigenen Angaben Menschen über 30 im Fokus. Finanzieren will sich der Sender über Werbung. Auch das ist für Michel beileibe kein Selbstläufer. Im Jahrbuch 2013/14 der Landesmedienanstalten ist die Rede von einer »angespannten« finanziellen Lage bei Regional-, Ballungsraum- und Lokalsendern.

Dass DRF1 rentabel wird, soll etwa mit gestaffelten Preisen für Werbekunden gelingen. Der Bäcker aus Koblenz zahle mit einem Regionalpreis weniger als ein Großunternehmen mit einem nationalen Preis, sagt Schneider. Vor allem Mittelständler sollen gewonnen werden. Es sei denkbar, dass sich Betriebe auf dem Sender präsentieren, sagt Schneider. »Ein Mensch in Hamburg weiß vielleicht nicht, dass seine perfekte Stelle im Allgäu auf ihn wartet.«

Zwölf Minuten Werbung pro Stunde seien das Maximum, auf die komme man noch nicht, sagt Schneider. »Wir brauchen aber auch keine zwölf Minuten, um uns zu tragen.« Die Kosten hielten sich in Grenzen. DRF1 sitze im Haus mit den schon seit längerem bestehenden Regionalsendern TV Mittelrhein und wwtv für den Westerwald. Die Technik war schon vorhanden. »Sonst wäre das nicht machbar gewesen«, sagt Schneider.

Wie viele Menschen DRF1 tatsächlich schauen, ist noch unklar, sagt Schneider. Man wolle erst einmal deutschlandweit bekannt werden, wende sich gerade an viele Agenturen. Im Herbst sei dann eine Umfrage geplant. Auf längere Sicht wolle DRF1 von der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung ausgewiesen werden. Rentabel sei das Ganze ab einem Marktanteil von deutschlandweit etwa 0,4 Prozent, schätzt er. dpa/nd

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