Der Erste Weltkrieg war ein regelrechtes »Menschenschlachthaus«, so der Titel des prophetischen Buches von Wilhelm Lamszus aus dem Jahre 1912. Aber der »Große Krieg« war mit dem Friedensschluss von 1919 nicht wirklich beendet. Nicht nur, dass es Nachfolgekriege auf dem Balkan, im Nahen und Mittleren Osten sowie Vertreibungen von vielen Hunderttausend Menschen gab. Entscheidend für Europa blieb, dass der »Krieg in den Köpfen« mit dem Friedensschluss noch keineswegs beendet war ...
Die Gruppe derjenigen, die bedingungslos für den Frieden eintraten, war nicht groß und litt besonders unter ihrer traditionellen Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen. Der Pazifismus wurde in der Weimarer Republik nur einmal zur Massenbewegung, nämlich 1921, als die »Nie-wieder-Krieg«-Bewegung für einen Moment eine ganz untypische Kraft zur Mobilisierung zeigte. An Demonstrationen, zu denen der Friedensbund der Kriegsteilnehmer anlässlich des Jahrestages des Kriegsausbruches am 1. August aufgerufen hatte, beteiligten sich allein in Berlin 200 000 Menschen. In 250 Städten versammelten sich insgesamt eine halbe Million ...
Übriggeblieben vom Kampf gegen den Krieg in der Zeit der Weimarer Republik ist heute eigentlich nur noch Ernst Friedrichs »Krieg dem Kriege« aus dem Jahre 1924. Dieses Buch war ein Skandal, weil es die Grenzen dessen überschritt, was auch heute noch trotz aller Gewöhnung an Bilder von den aktuellen Kriegsschauplätzen in aller Welt unaushaltbar ist, nämlich das zerstörte Antlitz des vom Krieg betroffenen Menschen ...
Seine hemmungslose Aktivität für den Frieden durch ständige Provokation hatte zur Folge, dass Ernst Friedrich in den 1920er Jahren nicht weniger als zwölfmal zu Gefängnisstrafen zwischen einem Monat und einem Jahr verurteilt wurde ... Ein wesentlicher Baustein seines Anti-Kriegs-Kampfes war und blieb: »Das System ist es, das weg muß, das Staatssystem! ... Die Hauptursache aller Kriege liegt im Kapitalismus! Kämpft gegen den Kapitalismus, und Ihr kämpft gegen den Krieg! Kämpft gegen den Mörder-Staat, und Ihr kämpft für den Frieden. Es lebe der Mensch! Der freie schaffende Mensch!«
Aus dem Vorwort von Gerd Krumeich zu dem vom Anti-Kriegs-Museum Berlin neu herausgegebenen Buch von Ernst Friedrich »Krieg dem Kriege« (Ch. Links, 241 S., br., 16,90 €).
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/971065.leseprobe.html