nd-aktuell.de / 14.12.2001 / Politik
Banken haben ein Kunden-Problem
Schuldnerberater wollen jetzt gesetzliches Recht auf ein Girokonto
Charlotte Schmitz, Frankfurt (Main)
Ohne Bankkonto ist das Leben ziemlich umständlich und vor allem teuer - und noch immer verweigern Banken die Kontoeröffnung oder kündigen bestehende Konten, wenn ein Kunde in ihren Augen problematisch ist. Die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände fordert deshalb ein allgemeines Recht auf ein Girokonto.
Aktueller Fall: Gleich sechs Darmstädter Banken hintereinander verweigerten einer allein erziehenden Mutter, die von Sozialhilfe lebt, die Eröffnung eines Kontos, berichtet am Donnerstag in Frankfurt (Main) Thomas Zipf vom Vorstand der Landesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung (LAG SB) Hessen. Der Mutter blieb nichts anderes übrig, als die Sozialhilfe per Scheck zu beziehen. Das ist teuer: Allein das Einlösen des Schecks kostet zehn Mark Gebühr, jede Einzahlung von Bargeld auf ein fremdes Konto, etwa für Miete, Strom oder Telefon, kostet wiederum Gebühr. Kosten, die für Inhaber eines Girokontos nicht anfallen.
Allein 473 Fälle wurden bei einer Umfrage der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) bekannt, in denen Banken die Eröffnung eines Kontos ablehnten oder ein bestehendes kündigten. Thomas Zipf betont: »Das ist nur die Spitze des Eisbergs.« Die wahren Zahlen dürften weit höher liegen.
Eine grobe Ahnung von der Dimension des Problems gibt die Angabe der Bundesanstalt für Arbeit, nach der etwa 100000 Arbeitslose ihr Geld per Postanweisung bar ausgezahlt bekommen. Der häufigste Grund, den Banken anführen, wenn sie jemanden als Kunden ablehnen, ist ein negativer Schufa-Eintrag. Die Schufa ist die zentrale Datei der Banken, in der Probleme mit Kreditrückzahlungen etc. eingetragen sind. Doch auch ein früherer Konkurs, eine befristete Aufenthaltserlaubnis oder Überschuldung werden als Gründe angeführt. Dabei nennen nicht alle Banken explizit Gründe und müssen dies auch nicht. Selbst wenn überschuldete Personen darauf dringen, ein »Guthabenkonto« einzurichten, also ein Konto, dass nur im Plus laufen darf, verweigern sich manche Banken.
Verpflichtung nur in einigen Bundesländern
Auffallend häufig verweigerten Sparkassen und die Postbank Kontoeröffnungen. Die Sparkassen sind eventuell deshalb häufiger aufgefallen, weil sie auf dem Land und in Kleinstädten häufig die einzigen Kreditinstitute am Platz sind. Für die Postbank hingegen kann diese Entschuldigung nicht gelten, deshalb sind die Schuldnerberater über deren Verhalten besonders ergrimmt.
In Ostdeutschland dürften mehr Personen betroffen sein als im Westen, denn während in Westdeutschland 2,8 Millionen Haushalte überschuldet sind, sind es in Ostdeutschland 900000, also deutlich mehr gemessen an der Bevölkerungszahl. Dabei steigt die Zahl der überschuldeten Haushalte im Osten, während sie im Westen stagniert.
Nun können Banken wie jedes Unternehmen frei darüber entscheiden, mit wem sie ein Geschäftsverhältnis eingehen und mit wem nicht. Achim Gabler von der LAG SB betont jedoch: »Ohne Girokonto ist man heutzutage sozial ausgegrenzt.« Deshalb hat der Gesetzgeber in einigen Bundesländern gehandelt. In Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Brandenburg sind die Sparkassen verpflichtet, jedem Antragsteller ein Konto zu eröffnen. Doch die Schuldnerberater halten das für den falschen Weg: »Damit werden die Sparkassen, die in öffentlicher Hand sind, benachteiligt.« Würde jedes Kreditinstitut diesem Zwang unterliegen, würde sich die Last der »problematischen« Kunden auf mehr Schultern verteilen. Denn mehr Arbeit machen die Konten überschuldeter Kunden in jedem Fall: Bei einer Darmstädter Bank etwa gehen wöchentlich 40Kontenpfändungen ein - 40Vorgänge, die bearbeitet werden müssen. Um einem Gesetz zum »Girokonto für alle« vorzubeugen, haben die Finanzinstitute bereits 1995 eine freiwillige Selbstverpflichtung abgegeben, in der sie empfehlen, jedermann auf dessen Wunsch ein Girokonto zu führen. Diese Selbstverpflichtung ist jedoch nicht bindend und auch nicht hinreichend bekannt. »Die Banken haben ihr Versprechen nicht eingehalten«, resümiert Gabler.
Mehr Rechte auch für Kontoinhaber
Deshalb fordern die Schuldnerberater ein gesetzliches »Recht auf ein Girokonto«, wie es im Nachbarland Frankreich bereits existiert. Außerdem wollen sie, dass ein Konto nur noch schriftlich und unter Angabe von Gründen gekündigt werden kann. Die Finanzinstitute sollen Ombudsleute einführen, bei denen sich die Kunden über eine Kontokündigung beschweren können.
Einen Fortschritt verzeichnen die Schuldnerberater bei der Anhebung der Pfändungsfreigrenzen. Bisher durfte ein allein stehender Schuldner als Existenzminimum nur 1219 Mark behalten. Ab dem 1. Januar 2002 wird dieser Betrag, der nicht gepfändet werden darf, auf 2513 Mark (1285 Euro) erhöht.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/9747.banken-haben-ein-kunden-problem.html