Am Donnerstag kam es zum seltenen Schulterschluss zweier Verbände, die sich sonst eher als politische Gegner gegenüberstehen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) planen in einem gemeinsamen Aktionsplan, Haushalten mit einem langzeiterwerbslosen Elternpaar und mindestens einem schulpflichtigen Kind, die als Bedarfsgemeinschaften Hartz-IV-Leistungen erhalten, zu helfen. Laut behördlichen Erhebungen betrifft dies 112 000 Familien mit rund 200 000 Kindern. Mit einem Förderprogramm soll erreicht werden, wenigstens einen erwerbsfähigen Erziehungsberechtigten in eine Vollzeit- oder vollzeitnahe Tätigkeit zu vermitteln. Vor allem die Jobcenter sollen durch die Bereitstellung zusätzlicher Mittel in die Lage versetzt werden, diesen Personenkreis intensiv zu beraten und zu betreuen, auch in Kooperation mit kommunalen Institutionen, Fortbildungs- und Beschäftigungsträgern. Als Auffanglösung für Menschen, die trotz intensiver Förderung binnen Jahresfrist nicht regulär vermittelt werden können, sollen auf ein Jahr befristete, öffentlich finanzierte, sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze bereitgestellt werden. Die Teilname an dem Förderprogramm soll grundsätzlich freiwillig sein. Der Kostenrahmen des zunächst auf drei Jahre befristen Programms wird auf 280 Millionen Euro pro Jahr beziffert.
DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach verwies auf die verheerenden psychosozialen Folgen einer Kindheit in sozial marginalisierten Verhältnissen. Wer als Kind dauerhaft in einem elterlichen Umfeld ohne Tagesstrukturierung und soziale Teilhabe aufwachse, habe kaum Chancen, sich aus diesem Milieu heraus zu entwickeln. Auf diese Weise entstünden Armutsdynastien, teilweise über mehrere Generationen.
Auch Peter Clever, Mitglied der Hauptgeschäftsführung der BDA, bezeichnete es als »verheerend«, wenn Kinder mit der Erfahrung aufwüchsen, »dass niemand in der Familie einer Erwerbstätigkeit nachgeht«. Es gebe offenbar einen verfestigten Sockel der »Hardcore-Erwerbslosigkeit«, dem mit den bisherigen Instrumenten nicht beizukommen sei. Daher müsse auch die BDA »über ihren Schatten springen« und als ultima ratio für bestimmte Personengruppen auch komplett öffentlich finanzierte Arbeitsplätze befürworten.
Die enge Begrenzung der Zielgruppe begründete Buntenbach damit, dass dieser Personenkreis bislang kaum von Fördermaßnahmen erfasst wird. So gebe es etwa für Alleinerziehende spezielle Programme, wenn auch nicht im benötigten Umfang. Ohnehin sei die Initiative nur einer von vielen nötigen Mosaiksteinen, um Kinderarmut zu überwinden. So werde der DGB auch weiterhin für eine armutsfeste Kindergrundsicherung eintreten. Wie auch Clever zeigte sich Buntenbach überzeugt, bei den Bundestagsfraktionen und auch in der Bundesregierung offene Ohren zu finden.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/983451.hilfe-fuer-familien-ohne-chancen.html