nd-aktuell.de / 11.09.2015 / Sport / Seite 18

Die Hoffnungsträger sind zu alt

Die Eisbären Berlin sind vor dem Start in die 22. Saison der Deutschen Eishockey Liga nur verhalten optimistisch

Jürgen Holz
Drei Teams werden vor dem Saisonstart der Deutschen Eishockey Liga als Favoriten genannt: Titelverteidiger Mannheim, München und Köln. Der Rekordmeister Eisbären Berlin ist nicht dabei.

Vor einer neuen Saison werden - egal in welcher Sportart - Trainer traditionell nach ihren Meistertipps befragt. Dass in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) diesmal nicht ein Coach den Rekordmeister und Seriensieger zwischen 2005 und 2013 (sieben Titel) auf dem Zettel hat, mag zunächst erstaunen, auf den zweiten Blick ist es jedoch nur folgerichtig. Denn nach dem Rückzug von Trainer Don Jackson erlebten die Eisbären Berlin in den vergangenen beiden Jahren ein sportliches Desaster. Sie verfehlten jeweils die Playoffs der besten acht Teams. Auch der im Winter als »Feuerwehrmann« geholte Ex-Bundestrainer Uwe Krupp hatte die Talfahrt nicht stoppen können.

Vor dem Saisonstart am Freitag im Heimspiel gegen Nürnberg sind die Berliner daher auch selbst nur verhalten optimistisch. Krupp gibt lieber gar keine Prognose ab, spricht aber immerhin von einer »starken Mannschaft«, die er beieinander habe. Nach sechs Wochen harter Vorbereitung sei sie auf einem gutem Weg. »Aber wir spielen in einer sehr ausgeglichenen Liga mit Feuer in jedem Spiel. Erst wenn wir einmal gegen jeden gespielt haben, wird sich zeigen, wo meine Mannschaft wirklich hingehört«, so Krupp. Auf alle Fälle wollen Cheftrainer und Management der Eisbären in die Erfolgsspur zurück und ein drittes Desaster in Serie unter allen Umständen vermeiden.

Allerdings kommen Zweifel auf, ob diese Mannschaft die Playoffs erreichen kann. Der notwendige totale Umbruch ist ausgeblieben. Acht Spieler haben den Verein verlassen, sieben sind gekommen. Vier von ihnen sind Rückkehrer, die schon einmal im Berliner Trikot gespielt haben, darunter der als »Hoffnungsträger« gepriesene Verteidiger Micki DuPont. Er wurde mit den Eisbären zweimal Meister und spielte zuletzt sieben Jahre in der Schweiz. Er hat zweifellos Stärken in der Offensive, doch mit 35 Jahren ist die Verpflichtung des Kanadiers alles andere als ein Verjüngungssignal.

Echte Neuzugänge sind zwei Kanadier: der 30-jährige Verteidiger Bruno Gervais und der vier Jahre jüngere Stürmer Spencer Machacek, der aus Augsburg kam. Am Wochenanfang wurde überraschend noch der 28-jährige Stürmer Shuhei Kuji verpflichtet. Er wird der erste Japaner in den Reihen der Eisbären sein. Krupp hätte gern ein, zwei Spieler mehr gehabt, zumal der 50-jährige einstige NHL-Star längst erkannt hat, dass die Formkurve viele Leistungsträger nach unten zeigt und die vor Jahren verpflichteten Ausländer nur noch Mittelmaß sind.

Dass der wirkliche Umbruch ausblieb, hat in erster Linie finanzielle Gründe. Denn inzwischen hat der Multimilliardär und Klubeigner Philipp Anschütz aus den USA einen harten Sparkurs verordnet. Da viele Spieler langfristige Verträge besitzen, hätte eine vorzeitige Trennung viel Geld gekostet. Das fehlt auch, um neue Stars zu verpflichten. Hartmut Nickel, der 2014 mit 70 als Co-Trainer Abschied nahm, aber weiter im Management aktiv ist, legt den Finger in die Wunde: »Viele Spieler haben mit den Eisbären sportlich sehr viel erreicht. Die Frage ist: Wie können sie noch motiviert werden? Das größte Problem ist also ein mentales.« Immerhin bleiben die Fans ungebrochen optimistisch, dass die sportliche Wende gelingt. Wie sonst ließe sich der neue Rekord mit 5255 verkauften Dauerkarten erklären?

Blickt man auf das Favoritentrio, spricht viel für den Titelverteidiger Adler Mannheim um Marcel Goc. Er kehrt nach zwölf Jahren in Nordamerika und 699 NHL-Spielen in die heimische Liga zurück. Zudem haben sich die Kurpfälzer gezielt auf vier Positionen verstärkt. Der ambitionierte EHC München schlägt erneut forsche Töne an. »Wir wollen das beste Team in den Playoffs sein«, sagt Trainer Don Jackson. Das gleiche Ziel war schon in der vergangenen Saison mit dem sieglosen Scheitern im Viertelfinale verfehlt worden. Die Kölner Haie, die mancher Trainer ebenfalls zu den Titelanwärtern zählt, geht mit einem völlig umgekrempelten Team und zwölf Neuverpflichtungen aufs Eis. Die Kölner verloren 2013 und 2014 erst im Finale. »Das war frustrierend«, sagt Kapitän Moritz Müller. »Nun schauen wir positiv nach vorn.«