Update 16.30 Uhr: Seehofer droht in der Flüchtlingspolitik
Angesichts der immer weiter steigenden Flüchtlingszahlen hat CSU-Chef Horst Seehofer EU, Bund und Länder »ultimativ und in scharfer Form« zum Handeln aufgefordert. Auf der Herbstklausur der CSU-Landtagsfraktion im oberfränkischen Kloster Banz machte der bayerische Ministerpräsident am Dienstag klar, dass er eine übermäßige Belastung Bayerns nicht länger hinnehmen will. Seehofer forderte eine gerechte Verteilung der Menschen innerhalb Deutschlands und Europas - und eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen. Ein schnelles Ende der Grenzkontrollen schloss der CSU-Chef aus.
In der EU müsse »endlich Zusammenarbeit und Solidarität« einkehren, forderte Seehofer. Und auch in Deutschland müsse es nun endlich eine »Verantwortungsgemeinschaft« geben. »So kann die Arbeitsteilung nicht sein, dass die einen für die Moral und die Menschlichkeit sind, und die anderen sind für die Arbeit und für die Ressourcen zuständig.«
Sollte es beim EU-Gipfel am Mittwoch und dem Treffen von Bund und Ländern am Donnerstag keine Entscheidungen geben, werde Bayern nicht das letzte Land sein, dass sich noch an Regeln halte, warnte Seehofer nach Teilnehmerangaben in seiner Rede vor den CSU-Abgeordneten. Insbesondere Berlin beschuldigte er, dort gebe es nur »warme Worte« und »nutzlose Ortstermine«. Was er im Falle einer Nicht-Einigung in Brüssel oder Berlin unternehmen will, ließ er aber zunächst offen.
In den vergangenen Wochen waren Zehntausende Flüchtlinge in Bayern angekommen und versorgt worden. Die Weiterverteilung in viele andere Bundesländer läuft aber nur schleppend, und viele EU-Staaten nehmen keine oder nur wenige Flüchtlinge auf. »Im Moment leisten wir ja die Hauptarbeit in ganz Europa«, sagte Seehofer. Das müsse sich ändern.
Seehofer blieb in der Flüchtlingspolitik weiter auf Distanz zu Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Er bekräftigte die CSU-Kritik an Merkels Entscheidung, in Ungarn festsitzende Flüchtlinge nach Deutschland einreisen zu lassen: »Die Regeln wurden von Deutschland außer Kraft gesetzt«, kritisierte er. Und mit Blick auf das von Merkel mehrfach formulierte Credo »Wir schaffen das« sagte Seehofer: »Wir schaffen es eben nur dann, wenn wir es richtig machen.«
Dabei sieht Seehofer die CSU eindeutig als Taktgeber. Nur die CSU nenne die Dinge beim Namen. Und alles, was die CSU fordere, werde über kurz oder lang umgesetzt. Die CSU sei die Hoffnungsträgerin.
Ein schnelles Ende der Kontrollen an den deutschen Außengrenzen schloss Seehofer aus. »Auf absehbare Zeit führt da überhaupt kein Weg vorbei«, sagte er. »Es geht doch darum, wieder Ordnung zu schaffen.«
»Es muss einem zu denken geben, dass gewisse Sorgen in der Bevölkerung vorhanden sind«, sagte CSU-Landtagsfraktionschef Thomas Kreuzer. »Man muss kein Prophet sein, dass die zunehmen werden.« Er erneuerte seine Forderung, auf europäischer Ebene Kontingente - und damit auch Obergrenzen - für bestimmte Flüchtlingen festzulegen.
Update 14.20 Uhr: Städtetag will mehr Geld und Wohnraum für Flüchtlinge
Der Deutsche Städtetag fordert angesichts des Flüchtlingsandrangs mehr Geld vom Bund sowie mehr Plätze in Erstaufnahmeeinrichtungen und mehr bezahlbaren Wohnraum. Die Kommunen erwarteten von Bund und Ländern einen Kraftakt, erklärte die Präsidentin des kommunalen Spitzenverbandes, Eva Lohse (CDU) aus Ludwigshafen, am Dienstag nach einer Präsidiumssitzung in Neuss. Die Asylverfahren müssten beschleunigt werden. Außerdem solle die Zahl der Erstaufnahmeplätze von 45.000 auf mindestens 150.000 steigen.
Zu der vom Bund versprochenen finanziellen Unterstützung erklärte Lohse: »Ich bin zuversichtlich, dass der Bund sein bisheriges Angebot von drei Milliarden Euro für Länder und Kommunen erhöhen wird.« Ohne konkrete Zahlen zu nennen, hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bereits am Montag betont: »Es wird deutlich mehr Geld geben.«
Städtetags-Vizepräsident Ulrich Maly (SPD) aus Nürnberg mahnte mehr Investitionen in den Wohnungsbau an und forderte von Bund und Ländern eine Verdopplung der Mittel von derzeit zwei Milliarden Euro. »Wir brauchen viel mehr bezahlbare Wohnungen, nicht nur, aber auch für Flüchtlinge«, sagte er. In Ballungsräumen sollten arme Familien oder Alleinerziehende nicht mit Flüchtlingen um Wohnungen konkurrieren müssen: »Das wäre sozialer Sprengstoff, den wir vermeiden müssen.«
Update 14.00 Uhr: CSU-Minister fordert EU-weite Angleichung von Asylanerkennung
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat eine europaweite Angleichung bei der Anerkennung von Flüchtlingen gefordert. Die gemeinsamen Standards müssten so umgesetzt werden, »dass in Europa die Asylentscheidungen, insbesondere was die Anerkennungspraxis betrifft, vergleichbar werden«, sagte Herrmann der Tageszeitung »Die Welt« (Mittwochsausgabe). »Genauso wichtig ist es, die Unterbringungsstandards und die Leistungen, die Asylbewerber erhalten, europaweit anzugleichen.«
Bislang werden Flüchtlinge aus bestimmten Ländern innerhalb der EU in sehr unterschiedlichem Maße als schutzbedürftig anerkannt. Nach Statistiken des europäischen Statistikamtes Eurostat, aus denen das Blatt zitierte, wurden im ersten Halbjahr 2015 EU-weit insgesamt 95 Prozent der Flüchtlinge aus Syrien anerkannt. In Italien waren es nur rund 81 Prozent, in Rumänien nur 49 Prozent.
»Die uneinheitliche Anerkennung von Flüchtlingen schwächt die Akzeptanz für eine Umverteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU«, sagte Christine Langenfeld, die Vorsitzende des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR), der »Welt«. Das Ziel der EU, die Anerkennungsquoten anzugleichen, sei bisher verfehlt worden. »Die Schutzlotterie bei der Frage, ob ein Flüchtling anerkannt wird, ist ein sehr kritischer Zustand«, bemängelte Langenfeld.
München. Vor der Sitzung der Unionsfraktion am Dienstagnachmittag kommt aus der CSU Kritik am Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Flüchtlingspolitik. Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer (CSU) sagte der »Süddeutschen Zeitung« (Dienstagsausgabe): »Mein Rat an die Kanzlerin ist zu erklären, dass Deutschland derzeit nicht in der Lage ist, weiter größere Zahlen an Flüchtlingen aufzunehmen.«
Singhammer vertrat die Ansicht, dass die Aufnahmebereitschaft Deutschlands an ihre Grenzen gelangt ist. Die Kanzlerin hatte hingegen angesichts des starken Zuzugs von Flüchtlingen erklärt: »Wir schaffen das.« Die Flüchtlingspolitik dürfte eine wichtige Rolle bei der Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am Nachmittag in Berlin spielen.
Auch CSU-Chef Horst Seehofer will sich am Dienstag auf der traditionellen Klausurtagung der bayerischen CSU-Landtagsfraktion in Kloster Banz in einer Rede zur Flüchtlingspolitik äußern. Die gesamte Tagung befasst sich vor allem mit der Flüchtlingskrise und ihren Folgen. Am Mittwoch wird der wegen seiner harten Haltung gegenüber Flüchtlingen in der Kritik stehende ungarische Regierungschef Viktor Orban als Gast erwartet.
Aus ganz anderen Gründen übten die Fachpolitiker der LINKEN Kritik am Kurs der Bundesregierung und forderten umfangreiche Änderungen im Asyl- und Aufenthaltsrecht. Die Asyl- und Arbeitsmarktpolitik müsse grundlegend umgekrempelt werden, wenn Flüchtlingen eine Integration ermöglicht werden solle, sagte Fraktionsvize Sabine Zimmermann der Zeitung »Die Welt« (Dienstagsausgabe). Asylbewerber sollten ab dem ersten Tag arbeiten dürfen.
»Die angekündigten Maßnahmen der Bundesregierung greifen zu kurz oder gehen in die falsche Richtung«, sagte Zimmermann. Schranken zum Arbeitsmarkt müssten beseitigt, alle Flüchtlinge gefördert und unterstützt werden: »Dazu gehören ausreichend Sprachkurse und die Vorsorge, dass sie nicht als billige Arbeitskräfte und zum Lohndumping missbraucht werden.«
In einem Forderungskatalog, den Zimmermann, Fraktionsvize Sahra Wagenknecht, die Innenpolitikerin Ulla Jelpke und die Migrationspolitikerin Sevim Dagdelen aufgestellt haben, wird die Abschaffung des dreimonatigen Beschäftigungsverbots für Asylbewerber verlangt. Auch die sogenannte Vorrangprüfung in den ersten 15 Monaten des Aufenthalts solle gekippt werden. Die Arbeitsagenturen müssen bislang prüfen, ob ein Deutscher oder EU-Ausländer für eine freie Stelle infrage kommt, bevor sie einen Flüchtling vermitteln. Zudem müsse die Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen vereinfacht werden.
Auch die Bundesregierung will Flüchtlinge künftig schneller in Arbeit bringen. So soll die Vorrangprüfung wegfallen und das Verbot der Leiharbeit in den ersten vier Jahren für Asylbewerber und Geduldete wegfallen. Außerdem sind Sprachförderkurse zur beruflichen Integration geplant. Agenturen/nd