London. Ölschwaden, verkrustete Böden, schwarzes Wasser: Amnesty International wirft dem Shell-Konzern falsche Angaben über die Säuberung ölverseuchter Gebiete in Nigeria vor. An vier als hochgradig vergiftet eingestuften Orten im Niger-Delta sei immer noch Ölverschmutzung festgestellt worden, die die Gesundheit Tausender Menschen gefährde, erklärte Amnesty in dem am Dienstag in London veröffentlichten Bericht »Clean It Up«. Damit verstoße Shell gegen Auflagen der Vereinten Nationen von 2011.
Der Ölkonzern wies die Vorwürfe Amnesty gegenüber zurück, ohne detaillierte Angaben zur Reinigung kontaminierter Flächen in Nigeria zu machen. »Indem Shell die Verschmutzungen aus ihren Pipelines und Ölquellen unzureichend reinigt, sind Tausende Männer, Frauen und Kinder vergiftetem Land, Wasser und Luft ausgesetzt«, kritisierte Amnesty-Sprecher Mark Dummett.
Mitarbeiter von Firmen, die ölverseuchte Böden im Auftrag von Shell abtragen sollten, haben laut Amnesty eingeräumt, dass sie allenfalls oberflächlich gearbeitet hätten. Böden seien nur umgepflügt worden, das Öl befinde sich nach wie vor nahe der Erdoberfläche. Die Folgen für Landwirtschaft und Fischerei seien dramatisch.
Das UN-Umweltprogramm hatte 2011 eine Untersuchung vorgenommen, die zahlreiche Fälle von Ölpest im Nigerdelta aufgedeckt hatte. Shell hatte daraufhin versprochen, die entsprechenden Flächen zu reinigen.
Stevyn Obodoekwe vom nigerianischen Zentrum für Umwelt, Menschenrechte und Entwicklung und Mitautor des Amnesty-Berichts, kritisierte die Lebensbedingungen in Afrikas größtem Ölfördergebiet. »Die Lebensqualität zwischen Ölschwaden, ölverkrusteten Böden und verseuchtem Wasser ist erbärmlich, und zwar seit Jahrzehnten.« Der nigerianischen Regierung gelinge es trotz anderslautender Ankündigungen bis heute nicht, die Ölindustrie zu kontrollieren.
Shell ist der größte Ölproduzent Nigerias. Nach eigenen Angaben ist in Nigeria seit 2007 in fast 1.700 Fällen Öl ausgetreten. Umweltschützer halten die Zahl für untertrieben. Amnesty veröffentlichte den Bericht »Clean It Up« zum 20. Todestag des nigerianischen Dichters und Bürgerrechtlers Ken Saro-Wiwa, der zu den Anführern des Ogoni-Volks im Niger-Delta gehörte. Trotz massiver internationaler Proteste war Saro-Wiwa unter der Militärdiktatur zum Tode verurteilt und zusammen mit acht Mitstreitern am 10. November 1995 hingerichtet worden. epd/nd