Mazedoniens Premier tritt ab
Rechtspopulist soll auf EU-Druck den Weg freimachen, der aus der Krise führt
Viel Zeit bleibt Mazedoniens mächtigstem Sesselkleber nicht mehr für seinen zugesagten Rücktritt von der Macht. Doch die argwöhnischen Zweifel der Opposition, dass Skandalpremier Nikola Gruevski das mit der EU ausgehandelte Abkommen zur Schaffung einer Übergangsregierung im letzten Moment noch platzen lassen könnte, hat der 45-Jährige nun selbst zerstreut. Wie vereinbart werde am 15. Januar die neue Regierung gewählt, versicherte in dieser Woche der seit 2006 amtierende Langzeitpremier: Zuvor werde er seinen Rücktritt einreichen, »mit Sicherheit«.
Freiwillig räumt der Chef der rechtspopulistischen VRMO seinen Posten keineswegs. Nur dem Druck der EU ist sein vorläufiger Rückzug zu verdanken. Gruevski werden von der Opposition massive Wahlmanipulationen und korrupte Machenschaften vorgeworfen. Eine mit Beteiligung der oppositionellen Sozialdemokraten (SDSM) gebildete Übergangsregierung soll für faire Bedingungen bei den für den 24. April geplanten Neuwahlen sorgen - und die Staatskrise des angeschlagenen Vielvölkerstaats beenden. Wen die VRMO als Übergangspremier nominieren wird, ist noch nicht gewiss: Als einer der aussichtsreichsten Kandidaten gilt bislang Außenminister Nikola Poposki.
Im zurückliegenden Jahr war der zwei Millionen Einwohner zählende Balkanstaat durch eine seiner tiefsten Krisen seit der Unabhängigkeit 1991 geschlingert. Im Februar begann SDSM-Chef Zoran Zaev ihm zugespielte Mitschnitte abgehörter Telefonate zu veröffentlichen. Das ließ das Land in seinen Grundfesten erbeben. Die Aufnahmen, die Gruevski wenig glaubwürdig als Machwerke ausländischer Geheimdienste bezeichnete, boten erschütternde Einblicke in die Abgründe eines systematischen Machtmissbrauchs.
Über 20 000 Personen ließ Gruevski angeblich abhören - darunter eigene Minister. Dem Wählerwillen sollen seine Gefolgsleute mit Hilfe von frisierten Wählerlisten, Stimmenkauf und Scheinwählern nachgeholfen haben. Lästige Oppositionelle, Medienmacher und Geschäftsleute sollen mit Hilfe der Geheimdienste und der regierungshörigen Justiz aus dem Verkehr gezogen worden sein.
Ausgerechnet auf dem Höhepunkt der Oppositionsproteste verschreckte im Mai eine blutige Antiterroraktion das Land. Bei zweitägigen Gefechten gegen eine angebliche Gruppe albanischer »Kämpfer« verloren in Kumanovo 18 Menschen ihr Leben und wurde ein ganzes Wohnviertel zerstört. Die mysteriösen Hintergründe einer aus dem Ruder gelaufenen Polizeiaktion sind bis heute ungeklärt. Die Opposition argwöhnt, dass Gruevski mit dem gezielten Schüren ethnischer Konflikte von seinen politischen Problemen ablenken wollte.
Dass die Situation nicht völlig eskalierte, war nicht zuletzt den Verhandlungsanstrengungen Brüssels unter Führung von EU-Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn zu verdanken. Schon im Juli verständigten sich Opposition und Regierung auf vorgezogene Neuwahlen am 24. April, die eine 100 Tage zuvor eingesetzte Übergangsregierung vorbereiten solle.
Doch die Umsetzung der Vereinbarung erwies sich als mühsam. Erst im Herbst konnte eine Einigung über die Ernennung einer Sonderstaatsanwältin und die Neubesetzung der Wahlkommission zur Säuberung der Wahllisten von fiktiven Wählern erzielt werden. Der frühere, der Opposition nahestehende Geheimdienstchef, der zu Jahresbeginn wegen angeblichen Putschversuchs verhaftet worden war, wurde freigelassen. Die SDSM übernahm bereits im Dezember das Innen- und Arbeitsministerium - und stellt in drei Schlüsselressorts die Vizeminister. Zumindest der Weg für Mazedoniens Neuanfang scheint geebnet.
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