Spanien ist mit der enormen Arbeitslosenquote von noch immer 21,4 Prozent ein Labor, in dem getestet wird, wie weit man in Arbeitsfragen gehen kann. Eine scheinbar neue Masche hat sich die zweitgrößte spanische Fluggesellschaft Air Europa ausgedacht. Die Billigflugtochter von Air Europa, die vergangene Woche den Flugbetrieb aufgenommen hat, kassierte beim Auswahlverfahren für Piloten und Flugbegleiter von jedem Bewerber eine Gebühr von 60 Euro, um überhaupt zu dem Auswahlverfahren zugelassen zu werden.
In einer E-Mail, die an die Bewerberinnen und Bewerber für 100 Stellen für Piloten und 150 für Flugbegleiter ging, wurde vor der Teilnahme an dem Verfahren verlangt, zu dem Termin neben den üblichen Dokumenten auch den Überweisungsbeleg für die »Bewertungsgebühr« mitzubringen. Die »Nichtvorlage« des Belegs, »verhindert die Zulassung zu den Tests«, heißt es unzweideutig in dem Schreiben. Genaue Zahlen sind nicht bekannt, aber es wird davon gesprochen, dass bis zu 2000 Teilnehmer in die Endauswahl gekommen sein sollen, womit der neue Billigflieger die stattliche Summe von 120 000 Euro eingenommen haben dürfte.
Bewerber und Bewerberinnen, die wie Laura extra nach Valencia gereist waren, um eine Chance auf einen Stelle zu bekommen, fragen sich: »60 Euro für was?« Doch letztlich habe sie keine andere Wahl gehabt, erklärt die junge Frau, die extra aus der Hauptstadt Madrid angereist ist, um Flugbegleiterin beim Billigflieger zu werden. »Das ist die Lage, wenn man heutzutage einen Arbeitsplatz sucht«, stellt sie resigniert fest. Wenn man nicht mitmache, finde man überhaupt keine Stelle, erklärt sie. Es gebe aber andere, die sich geweigert hätten die Gebühr zu bezahlen und deshalb aus dem Verfahren ausgeschlossen worden seien, bestätigten Teilnehmer.
Die ohnehin hohen Kosten für die Reise und die Unterkunft wurden durch die »Bewertungsgebühr« noch zusätzlich erhöht. Und das treibt die Beschäftgtitgemvertretungen auf die Barrikaden. Für die kleine Gewerkschaft USO, die den Vorgang öffentlich gemacht hatte, ist das ein neues Beispiel der zunehmenden »Prekarisierung des Arbeitsmarkts«. Vier Millionen Arbeitslose im Land bildeten den Hintergrund für diese »neue niederträchtige und missbräuchliche Maßnahme, die den Zugang zu einem Arbeitsplatz weiter erschwert«, heißt es in ihrer Stellungnahme.
Und die Pilotenvereinigung COPAG hat inzwischen wegen dem Vorgehen der Fluglinie, die zur Gruppe Globalia gehört, bei der zuständigen Arbeits- und Sozialbehörde in Valencia eine Beschwerde eingereicht, nachdem Führungsmitglieder der Fluggesellschaft die »illegale« Praxis gegenüber der COPAG bestätigt hatten. Es handele sich um einen Vorgang, der gegen das Gesetz verstoße, heißt es in einer Stellungnahme. Im Besonderen werde gegen den »Gleichheitsgrundsatz und gegen die Anti-Diskriminierungsrichtlinien beim Zugang zu Arbeitsstellen verstoßen« und damit auch gegen Artikel 9 der spanischen Verfassungen. Die Vereinigung spricht von einer schlicht »unmoralischen« Gebühr. Die Verantwortlichen in der Fluglinie schweigen sich derweil aus. Auf Anfrage wird lediglich mitgeteilt, dass man sehr zufrieden mit der Auswahl der neuen Beschäftigten sei.
Ganz ungewöhnlich soll dieses oder ein ähnliches Vorgehen im Bereich der spanischen Fluggesellschaften aber nicht sein, erklärten diverse Teilnehmer dieses Auswahlverfahrens, die lieber anonym bleiben wollten. Gesprochen wird allgemein vom »Missbrauch«, der in diesem Sektor um sich greife. »Ich musste bei einer anderen Fluglinie einen Kurs selbst bezahlen, in der ich gearbeitet habe«, erklärte einer. Das Geld werde von der Fluglinie nicht zurückerstattet, erklärt ein junger Bewerber, dass offenbar auch schon Fortbildungskosten den Beschäftigten in Rechnung gestellt werden.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/998949.bezahlen-fuer-bewerbung-beim-billigflieger.html