Während in gewerkschaftlichen Bastionen wie der Stahlindustrie mit hohem Organisationsgrad die Zahl der Arbeitsplätze weiter schrumpft, stellt die Digitalisierung in der Arbeitswelt die Gewerkschaften vor neue gewaltige Probleme. So wendet sich jetzt auch die IG Metall den mit dem Einzug der Plattformökonomie in die Arbeitswelt einhergehenden Herausforderungen zu. Bei diesem als »Crowdworking« bzw. »Crowdsourcing« bezeichneten Phänomen werden Arbeitsaufträge über digitale Plattformen innerhalb, vor allem aber außerhalb einzelner Unternehmen über das Internet an Externe vergeben. »Damit sind erhebliche Risiken für die Beschäftigten verbunden, weil diese Arbeitsform nicht reguliert ist und die Plattformbetreiber die Arbeitsbedingungen nach ihren eigenen Vorstellungen bestimmen«, warnt IG-Metall-Vize Christiane Benner. »Wenn wir nichts unternehmen, öffnet das einem Unterbietungswettbewerb bei den Arbeitsbedingungen Tür und Tor. Wir wollen keine Amazonisierung der Arbeitswelt«, sagte sie am Mittwoch in Frankfurt am Main.
Crowdsourcing erfasst zunehmend nicht nur klassische Soloselbstständige, die am eigenen PC anspruchsvolle Aufträge abarbeiten und in Konkurrenz mit anderen Fachleuten über weltweite Plattformen ihre Dienste anbieten. Mittlerweile gibt es Crowdworking-Angebote nicht nur für Designer, Texter oder Programmierer, sondern für die gesamten Wertschöpfungsketten in den von der IG Metall vertretenen Branchen. Aus gewerkschaftlicher Sicht gehe es nicht um eine pauschale Ablehnung von Crowdworking, sondern nur »gegen dessen Missbrauch«. Vor allem müssten die Arbeitsbedingungen fair gestaltet und die Beschäftigten entsprechend organisiert werden. »Wir akzeptieren nicht, dass auf dem Rücken von abhängig Beschäftigten Kosten gespart werden sollen und reguläre durch prekäre Beschäftigung ersetzt wird. Wir wollen keine rechtsfreien Räume wie im Silicon Valley«, so Benner.
Weil Crowdworking ein weltweites Phänomen ist, sucht die IG Metall das Gespräch mit bundesdeutschen Plattformbetreibern. Crowdworker können sich über die neue Internetseite www.faircrowdwork.org[1] vernetzen und informieren. Hier können Sie auch ihr Einkommen abgleichen oder rechtliche Fragen bei Problemen rund um den Berufsalltag nachschlagen. Für Ratsuchende steht ein Servicetelefon zur Verfügung.
Per Satzungsänderung hatte die IG Metall bei ihrem Gewerkschaftstag im Oktober den Weg für den Eintritt von Soloselbstständigen gebahnt. »Das gibt es bei uns schon seit vielen Jahren«, sagt Nadine Müller vom Bereich Innovation und Gute Arbeit in der Berliner ver.di-Zentrale auf nd-Anfrage und verweist auf entsprechende innergewerkschaftliche Strukturen für Selbstständige und die längst etablierte Beratungsplattform www.mediafon.net.[2] Im vergangenen Jahr kam eine informative Themenseite zu fairem Crowdworking im Onlineangebot von ver.di dazu. Zu den brennendsten Problemen im Crowdworking gehöre, dass hier geltendes Recht der Beschäftigten keine Anwendung fände. »Es gibt oft keinen Kündigungsschutz, keinen Urlaubsanspruch, keine innerbetrieblichen Weiterbildungsmöglichkeiten. Im Krankheitsfall und im Alter sind die Betroffenen schlecht abgesichert«, beklagt Müller. ver.di fordert eine Erwerbstätigenversicherung für alle, die prekär Beschäftigte und Soloselbstständige einschließe und sich auch aus Sozialversicherungsabgaben der Auftraggeber und Plattformbetreiber speise.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/998951.crowdworking-aber-fair.html