nd-aktuell.de / 27.01.2016 / Kultur / Seite 12

Gelächter am Abgrund

Hamburger Gastspiel im Renaissance Theater

Walter Kaufmann

Während im Nahen Osten eine marodierende IS-Sodateska eine immer breiter werdende Blutspur hinterlässt, in türkischen Landen Kurden massakriert werden und in Deutschland Abertausende von Flüchtlingen Zuflucht suchen, freut sich im ausverkauften Renaissance Theater das Publikum. Sollte man ihm das verwehren? Natürlich nicht! Ablenkung tut gut. Und ist nicht Joseph Kesselrings Komödie »Arsen und Spitzenhäubchen«, in der es um Tötungen geht, aber niemand sichtbar getötet wird, seit der New Yorker Uraufführung in den vierziger Jahren bis heute ein Renner?

Beim Gastspiel des Hamburger St. Pauli Theaters geben Angela Winkler und Eva Mattes die ältlichen Brewster-Schwestern Abby und Martha vollendet skurril. Dem Affen geben sie Zucker, wie es heißt, die Winkler ältlich-jüngferlich, die Mattes hausfraulich-robust, und beide hinreißend. Wie die zwei gegen das verbrecherische Paar Dr. Einstein (George Meyer-Groll) und Jonathan Brewster (mit Hitler-Visage: Christian Redl) ihre Morde aufrechnen, zwölf gegen zwölf, wird zu einem echten Kabinettstück.

Joseph Kesselring wäre kein wirklicher Stückeschreiber, hätte er nicht auch für andere Darsteller Paradeauftritte: Wie Mortimer Brewster (gespielt von Oliver Urbanski) entdeckt, dass er irrtümlich den Hut einer in der Truhe versteckten Leiche aufgesetzt hat, ist geradezu burlesk, auch seine Erleichterung darüber, dass er nicht wirklich ein Brewster ist, bringt er gestisch gekonnt, fast wortlos, über die Rampe. Und wie Gerhard Garbers den Teddy Brewster verkörpert, der glaubt, der Präsident Amerikas zu sein und mit der Trompete zum Angriff bläst, dass die Wände des Brooklyner Brewster-Hauses erzittern: ein Lacherfolg! Deborah Kaufmann als Elaine Harper schafft es, frisch wie der Frühling auf die Bühne zu wehen, eine hoffnungsvolle und doch immer wieder verprellte Mortimer-Braut.

Dass die Brewster-Schwestern mit ihrem selbstgebrauten Fruchtwein »aus Barmherzigkeit« zwölf Männer ins Jenseits befördern, wirkt (so soll es wohl auch!) angesichts der gegenwärtigen Welt wie Geplänkel, nicht mehr als eine Lappalie.