In Berlin besetzen Aktivisten leer stehendes Haus
Initiative »Social Center for All« will mit Protest für Freiräume kämpfen
Mehrere Gruppen schwarzgekleideter Menschen nähern sich zeitgleich von verschiedenen Seiten der Köpenicker Straße 36. Der Eingang des verlassenen Bürogebäudes ist bereits offen. Die Aktivisten sind an diesem Samstagabend gut vorbereitet und bringen zügig Getränke, Musikboxen und Lampen hinein. Auf einem Plenum wird das weitere Vorgehen diskutiert, man entscheidet sich, die Aktion öffentlich zu machen. Partystimmung setzt ein, Lachen, Rauchen. Interessierte werden eingeladen.
Marcus Staiger von der Initiative »Social Center for All« erklärt, man wolle einen Ort der Begegnung schaffen. Es solle Unterkünfte für Geflüchtete geben, aber auch Rechtsberatung, Bildungsprojekte und medizinische Versorgung. »Die Anwohner und Initiativen werden aber letztlich entscheiden, was mit dem Haus gemacht wird«, sagt Staiger. Das Projekt stößt auf Zustimmung: Wenn es eine selbstorganisierte Krankenversorgung für Geflüchtete gebe, sei auch den Asylsuchenden in Reinickendorf geholfen, meint Hans-Jörg Behrendt von der Initiative »Willkommen in Reinickendorf«. Er ist vor das besetzte Haus gekommen. »Es ginge alles, aber die Politik macht nichts«, sagt er.
Schon zwei Versuche der Initiative, ein Soziales Zentrum in Berlin zu errichten, sind gescheitert. Auf einer Konferenz, an der sich Gruppen wie »Zwangsräumungen verhindern« oder »Moabit hilft« beteiligten, wurde vor der Besetzung diskutiert, wie das Zentrum konkret aussehen könnte.
Im Haus senden die Aktivisten derweil Solidaritätsgrüße nach Leipzig und Mannheim, wo am Wochenende ebenfalls Gebäude besetzt wurden. In Leipzig dürfen die Aktivisten vorerst bis Montag bleiben, dann soll es neue Gespräche mit dem Oberbürgermeister geben. In Mannheim kündigte die Polizei an, am Sonntag räumen zu wollen.
In Berlin ist der Spaß schon nach ein paar Stunden vorbei. Die Polizei rückt an und vertreibt die rund 70 Unterstützer vor dem Haus. Eine Spontandemonstration scheitert an robusten Polizeireihen. Die Stimmung unter den Aktivisten ist trotz allem zuversichtlich. Auf Twitter schreibt die Initiative zum Abschluss: »Wir kommen wieder, keine Frage.« seb
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