Die AfD ringt um ihre Position
Bisher distanziert sich die Rechtspartei in offiziellen Beschlüssen von den jungen Bewegungsnazis
Es sei »überhaupt nicht verwerflich«, erzählt Thorsten Weiß, Mitglied der AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, dass sich Personen aus der AfD und der »Identitären Bewegung« (IB) bei »Veranstaltungen gegenseitig besuchen oder gemeinsam an Demonstrationen teilnehmen«. Die Mitglieder der Identitären »ticken gar nicht so unterschiedlich zu uns, sie drücken sich nur anders aus«, so der Abgeordnete.
So offen über Verbindungen zwischen IB und AfD spricht Weiß nicht etwa mit irgendeinem neurechten Szenemagazin. Die Aussagen fielen Ende Januar in einem rbb-Interview. Man kann sicher sein: Der Berliner AfD-Politiker weiß sehr genau, wovon er redet. Neben seinem Mandat im Abgeordnetenhaus ist Weiß zugleich Vorsitzender der Berliner »Jungen Alternative« (JA). Dass deren angesprochene Zielgruppen schon aufgrund des Alters mit denen der Identitären übereinstimmen, überrascht nicht. Ideologisch stehen sich beide Gruppen ohnehin nah.
Doch was Weiß gegenüber dem rbb äußerte, klingt deutlich anders als die kaum ein halbes Jahr alte Ansage des JA-Bundesvorsitzenden Markus Frohnmaier. Der hatte vergangenen Juli in der »FAZ« betont, eine parallele Mitgliedschaft in beiden Organisationen werde »von uns konsequent abgelehnt«.
Fast Identisches besagt ein Beschluss des AfD-Bundesvorstands nur einen Monat früher. In einer Telefonkonferenz hielt die Parteispitze fest, »dass es keine Zusammenarbeit der Partei […] und ihrer Gliederungen mit der sogenannten Identitären Bewegung gibt«. Wer Mitglied der Rechtspartei werden wolle, dürfe dieser Gruppierung nicht angehören.
Doch bereits hier liegt der Knackpunkt im Detail: Zwar gibt es auch in Deutschland einen offiziellen Verein der Identitären, doch um bei den Bewegungsnazis mitzumischen, ist eine Mitgliedschaft mitnichten nötig, der AfD-Unvereinbarkeitsbeschluss in der Praxis deshalb kaum durchsetzbar.
Ohnehin wäre dieser kaum im Sinne einer wachsenden Zahl prominenter Befürworter, die es mit einer Distanzierung nicht so eng sehen und versuchen, die Grenzen aufzuweichen. Bereits im Herbst warben AfD-Vize Alexander Gauland und der Thüringer Landeschef Björn Höcke in einem Beitrag für das neurechte »Compact«-Magazin relativ unverhohlen um Überläufer aus den Reihen der Identitären in die Partei.
Zwar betonte Höcke, dass der Parteibeschluss »natürlich bindend« sei, doch Gauland ging sogar soweit und erklärte: »Wer ähnliche Ziele verfolgt, kann zu uns kommen.« Deutlicher könnte eine Einladung kaum sein. Sehr wahrscheinlich dürfte der offizielle Unvereinbarkeitsbeschluss vor allem auf ein strategisches Ziel gerichtet sein.
Da die Identitären längst im Blick des Verfassungsschutzes stehen, will die AfD es tunlichst vermeiden, durch die Behörden aufgrund möglicher Doppelmitgliedschaften ebenfalls den Stempel als Feinde der »freiheitlich demokratischen Grundordnung« aufgedrückt zu bekommen. An der Wahlurne wäre solch ein Brandmal mit Sicherheit Stimmengift. Dies würde auch erklären, warum die Junge Alternative Berlin nach Bekanntwerden des Interviews mit Weiß in einer Mitteilung die Berichterstattung als »Fake-News« zurückwies. Der entstandene Eindruck, »es gäbe so etwas wie eine institutionelle Kooperation zwischen JA und IB«, sei »maximal eine absurde Phantasie und damit postfaktisch«.
Ganz real dagegen ist die Forderung der völkisch-nationalistischen AfD-Parteiströmung »Patriotische Plattform«, die enge Zusammenarbeit mit den Identitären zu suchen. Da die Vereinigung zwar aus Mitgliedern der JA und AfD besteht, allerdings kein offizielles Organ der Partei darstellt, ist die Gruppe an keinerlei Beschlüsse des Bundesvorstands gebunden. Deshalb entschied die Plattform im November nach »lebhafter Debatte«, »sich dem verfassungstreuen Patriotismus« in Zukunft verbunden zu fühlen, »wie ihn Pegida oder die Identitäre Bewegung repräsentieren«.
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