Mélenchon-Wähler stimmen mit zugekniffener Nase für Macron
Warum die Umfragedaten zu den französischen Wahlen vermutlich stimmen
Wird es doch noch eng angesichts der Gerüchte über angebliche Offshore-Konten des liberalen Emmanuel Macron auf den Bahamas, die kurz vor der Wahl in Umlauf gebracht wurden? Werden die Wähler von Jean-Luc Mélenchon für Macron stimmen oder nicht? Oder kann Macron den Sieg bei der Präsidentschaftswahl noch verspielen, weil in Erwartung eines sicheren Vorsprungs vor der rechtsradikalen Marine Le Pen weniger seiner Anhänger zu den Urnen finden? Antworten auf diese Fragen bieten die letzten Umfragedaten aus Frankreich vor der Wahl.
Laut einer Erhebung des Markforschungsinstituts Ipsos vom 3. Mai wird am Sonntag rund die Hälfte der Franzosen (52 Prozent) das »kleinere Übel« wählen. Emmanuel Macron ist eher aus Mangel an Alternativen der Favorit. Das gaben 60 Prozent der Befragten an, nur 40 Prozent werden ihn aus Überzeugung wählen.
Die Le-Pen-Wähler hingegen wollen die Vorsitzende der Front National mehrheitlich aus ihrer Haltung heraus wählen. 59 Prozent gaben das an, während 41 Prozent meinten, mit zugekniffener Nase für sie stimmen zu wollen. Darunter dürften viele Wähler des erzkatholischen François Fillon sein. Laut einer Umfrage des IFOB Instituts wollen 29 Prozent derer, die im ersten Wahlgang für Fillon gestimmt haben, nun bei Le Pen ihr Kreuz machen. Doch eine Mehrheit der ehemaligen Wähler Fillons von 48 Prozent wird für Macron stimmen, nur 22 Prozent wollen gar nicht wählen.
Auch die Anhänger von Jean-Luc Mélenchon werden mehrheitlich (53 Prozent) den Appellen verschiedener linker Intellektueller folgen und für Macron stimmen. 36 Prozent der Mélenchon-Wähler hingegen werden, wie die Mitgliederbefragung des Linksblocks La France insoumise (Das aufständische Frankreich) empfohlen hat, weder für Macron noch Le Pen stimmen.
Offenbar erfolgreich umworben hat Marine Le Pen 14 Prozent der Mélenchon-Anhänger, die für die Front National (FN) stimmen werden. Trotzdem wird die FN-Politikerin im zweiten Wahlgang weniger Stimmen bekommen, weil – wie die Grafik zur Wählerwanderung zeigt – sie nur von den Ex-Wählern von Fillon und dem konservativen Nischenkandidaten Nicolas Dupont-Aignan viele Stimmen bekommen wird. Die meisten Wähler der anderen Kandidaten werden für Macron stimmen.
Aktuell geben alle Meinungsumfragen in Frankreich ein Wahlergebnis von etwa 60 Prozent zu 40 Prozent für Macron an. In den letzten zwei Tagen hat Emmanuel Macron sogar noch leicht dazu gewonnen. Auch repräsentative Umfragen sind nur Schätzungen über das Wahlverhalten und haben eine Fehlertoleranz von 1 bis 3 Prozent. Bei den US-Präsidentschaftswahlen im November sagten viele Institute einen Sieg von Hillary Clinton voraus, es kam anders. Im November betrug der Vorsprung Clintons in den Umfragen im Durchschnitt nur 3 Prozent und lag damit innerhalb der Fehlertoleranz vieler Umfragen.
Anders als in den USA gibt es in Frankreich nicht das komplizierte amerikanische System des »electoral college«, außerdem ist der zweite Wahlgang in Frankreich kein »enges Rennen«. Hier liegt der Vorsprung von Emmanuel Macron bei etwa 20 Prozent, weit außerhalb der Fehlertoleranz der Umfragen. Außerdem haben die französischen Umfrageforscher mit ihren Umfragen zum ersten Wahlgang ziemlich genau das Ergebnis vorhergesagt – im Durchschnitt waren die Umfragen weniger als 1 Prozent ungenau.
Auch das Szenario, dass von der Politik enttäuschte Franzosen oder Macron-Anhänger, die von seinem sicheren Sieg überzeugt sind, nicht mehr zur Wahl gehen werden und so das Ergebnis zugunsten von Le Pen verschieben, wird vermutlich nicht eintreten. Im ersten Wahlgang hatten 77 Prozent der wahlberechtigten Franzosen ihre Stimme abgegeben. Die Ipsos-Umfrage zeigt, dass mit einer prognostizierten Wahlbeteiligung von 76 Prozent fast genauso viele Franzosen am Sonntag wählen werden. Was danach passiert, ist eine andere Frage.
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