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Urteil mit begrenzter Wirkung
In Stuttgart endete ein Prozess gegen Heckler & Koch wegen illegaler Waffenlieferungen nach Mexiko
Im Prozess um illegale Waffenlieferungen durch die Rüstungsfirma Heckler & Koch nach Mexiko ist das Unternehmen zu einer Zahlung von rund 3,7 Millionen Euro verurteilt worden. Die Richter des Stuttgarter Landgerichts verurteilten zudem drei der fünf Angeklagten zu Haftstrafen auf Bewährung bis zu einem Jahr und zehn Monaten. Für einen einstigen Geschäftsführer und einen Ex-Vertriebsleiter hatte bereits die Staatsanwaltschaft Freisprüche beantragt.
Menschenrechtler begrüßten das Urteil im Grundsatz und insbesondere die Höhe der Strafzahlung, sie kritisierten aber, dass keine Haftstrafen verhängt wurden. Moniert wird zudem, dass der Richterspruch keinerlei Auswirkungen auf das unzureichende Kontrollsystem für deutsche Waffenexporte haben wird. Die mutmaßlichen Haupttäter standen zudem gar nicht vor Gericht: Ein ehemaliger Bereichsleiter ist verstorben, der H&K-Vertreter in Mexiko ist angeblich zu krank, um über den Atlantik zu reisen. Sein Verfahren wurde abgetrennt. Dennoch, dass deutsche Manager in Deutschland überhaupt wegen illegaler Waffenlieferungen angeklagt werden, ist ein Erfolg. Doch auch dazu musste die Staatsanwaltschaft gedrängt werden. Vor allem vom Friedensaktivisten Jürgen Grässlin, der bereits im April 2010 mit Hilfe von Rechtsanwalt Holger Rothbauer Anzeige gestellt hatte.
Die Heckler & Koch GmbH (H&K) präsentiert sich gerne als klassischer schwäbischer Mittelständler, der dank »höchster Qualität und innovativer Produkte« zu den Weltmarktführern seiner Zunft gehört. Die Produktpalette - Pistolen, Sturm-, Präzisions- und Maschinengewehre sowie Lizenzvergaben - ist hingegen nicht ganz so typisch.
Hervorgegangen ist die Firma mit Sitz in Oberndorf am Neckar aus der Königlich Württembergischen Gewehrfabrik und den späteren Mauserwerken. Gegründet wurde H&K Ende 1949 von den Ex-Mauser-Ingenieuren Edmund Heckler und Theodor Koch. Während man zunächst wegen alliierter Rüstungsbeschränkungen Nähmaschinen und Werkzeuge herstellte, produzierte man schon bald in einer Art legaler Grauzone Waffen für Polizei, Bundesgrenzschutz oder die Alliierten. Nach der Gründung der Bundeswehr 1955 wurden alle Beschränkungen gelockert und man startete mit Schusswaffen richtig durch.
Zuletzt liefen die Geschäfte nicht mehr ganz rund. Im Jahr 2017 betrug der Umsatz 182 Millionen Euro, ein Viertel weniger als im Rekordjahr 2010. Man machte 13 Millionen Euro Verlust. Das Unternehmen mit rund 700 Mitarbeitern in Deutschland, den USA, Großbritannien und Frankreich hatte Produktions- und Lieferprobleme, auch das Geschäft mit privaten Waffenkäufern am größten Markt, den USA, lief nicht gut. Ein Hauptaktionär soll sogar einen zinslosen Überbrückungskredit zur Verfügung gestellt haben. KSte
Mexiko ist das Land der Desaparecidos, der Verschwundenen. Die offizielle Statistik sagt, derzeit gebe es mehr als 37 000 nicht auffindbare Personen. Menschenrechtsverbände gehen von weit mehr Ermordeten aus. Es gibt jede Menge Hinweise darauf, dass viele Mörder aus den Reihen der Sicherheitskräfte kommen. Also aus Polizeibehörden und der Armee. Kein Zweifel gibt es daran, dass das Organisierte Verbrechen vielerorts Hand in Hand mit der Polizei arbeitet. Drogenhandel, Prostitution und Erpressung florieren.
Überall in Mexikos Städten lungern Uniformierte verschiedenster Einheiten herum und demonstrieren Macht. Das funktioniert, die Menschen machen einen Bogen um diese Gruppierungen. Wenn man bei Überlandfahrten im Rückspiegel schnelle Pick-ups auftauchen sieht, auf deren Ladeflächen Vermummte sitzen, macht man auch denen besser Platz.
Die Autorität der mexikanischen »Sicherheitsbehörden« beruht weniger auf dem Gesetz, sondern auf ihrer Bewaffnung. Zumeist tragen sie US-amerikanische M16, doch seit 2006 sieht man auch immer wieder G36-Sturmgewehre. Die werden in Deutschland vom schwäbischen Rüstungsunternehmen H&K produziert.
In den Jahren 2006 bis 2009 gelangten mehr als 4700 dieser Sturmgewehre sowie Maschinenpistolen und Zubehör im Wert von rund 4,1 Millionen Euro nach Mexiko. 16 Lieferungen sind belegt. Einige dieser Waffen sollen auch 2014 im Fall der Massenverschleppung von Studenten im Bundesstaat Guerrero zum Einsatz gekommen sein. Noch immer ist das Schicksal von 43 der gekidnappten Studenten ungeklärt.
Heckler & Koch bestritt, dass die Firma illegal geliefert hat. Man versuchte, die Verantwortung auf einzelne Mitarbeiter zu begrenzen. Laut Staatsanwaltschaft gab es ein Täuschungsmanöver, an dem sowohl damalige Angestellte der Firma als auch mexikanische Behörden beteiligt gewesen sein sollen. Gemeinsam habe man vertuscht, dass die Sturmgewehre in mexikanische Bundesstaaten gehen sollten, für die ein Exportverbot bestand.
So eine Lieferbeschränkung allein ist absurd. Das wäre so, als ob ein Fahrzeugexporteur seine Autos zwar nach Deutschland liefern darf, die jedoch nicht in Brandenburg und Sachsen fahren dürfen. Überdies bestritten die Angeklagten, dass es eine Liste zum Lieferverbot nach Chihuahua, Chiapas, Guerrero und Jalisco gegeben habe. Die Exportgenehmigungen der deutschen Regierung seien für Lieferungen nach Mexiko ausgestellt worden.
Rechtsanwalt Rothbauer vermutete schon 2012, dass Waffenbauer und Ministeriumsmitarbeiter gemeinsam agierten, um die illegale Lieferung zu verschleiern. Deshalb hatte er seine Klage auch auf das zuständige Bundeswirtschaftsministerium ausgeweitet. Doch so mutig wollte die Staatsanwaltschaft dann doch nicht sein.
Das Urteil in Stuttgart kann kaum als Beitrag zum Schutz der Bürgerrechte in Mexiko gewertet werden. Der neue Präsident López Obrador hat versprochen, den Kampf gegen Armut, Gewalt und Korruption aufzunehmen. Zudem will er einen weiteren Versuch unternehmen, um das Schicksal der 43 im Jahr 2014 verschwundenen Studenten aufzuklären. Laut einem Nationalen Plan für Sicherheit und Frieden soll die bisherige Bundespolizei in der militärisch strukturierten Nationalgarde aufgehen und die wird erstmals eine Rechtsgrundlage für polizeiliches Handeln erhalten.
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